Ferien mit Biss
linke Nasenloch zu und rotzte dann aus dem rechten Nasenloch eine kleine Kugel heraus. Sie fiel nur wenige Zentimeter vom ausgestopften Vampir entfernt zu Boden. Durch die Zuschauermenge ging ein enttäuschtes »Och«.
»Was machen die da?«, fragte Helene. »Ha-Chi für Anfänger?«
Silvania schüttelte den Kopf. »Das Rotzen der Jungfrauen ist eine aus Urzeiten überlieferte Tradition.«
»Die Jungfrauen stecken sich Fruchtbarkeitsbeeren in ein Nasenloch«, fuhr Daka fort. »Sie rotzen die Beeren aus der Nase, so kräftig es geht. Dabei müssen sie versuchen, den ausgestopften Vampir zu treffen. Trifft eine Jungfrau die Puppe, wird sie bald einen strotzenden Vampir abbekommen und viele strotzende Vampirbabys mit ihm rotzen ... äh, zeugen, meine ich.«
Auf einmal schrien die Vampire um sie herum auf. Eine Jungfrau hatte die Vampirpuppe getroffen. Sie hob vor Freude vom Boden ab und machte einen Überschlag.
»Verstehe«, sagte Helene. »Das ist wie bei einer Hochzeit den Brautstrauß fangen bei uns.« Helene war froh, dass sie mit nach Bistrien geflogen war. Die Zwillinge hatten nicht übertrieben: Die Vampwanische Nationalfeiernacht war jeden einzelnen Flugkilometer wert. All die Stände mit den seltsamen Speisen! Die irren Lichter und Klänge. Das Blut vom Fass und der Karpovka flossen in Strömen. Die verwegensten Mutproben fanden statt: Welcher Vampir hielt es am längsten unter einer Sonnenbank aus? Wer wagte sich am dichtesten an eine Knoblauchzehe heran? Welche Vampirdame schaffte es, mit fünf ausgewachsenen Vampiren gleichzeitig zu jonglieren? Die Vampirkinder tollten in den Bäumen und im Laub herum und steckten sich gegenseitig lange Regenwürmer in die Nase. Die Alten hingen an den Ästen und betrachteten das Treiben aus der Höhe. Ab und zu tranken sie laut schlürfend mit einem Strohhalm aus ihrem Blutbembel. Im ganzen Wald wimmelte es nur so von Vampiren. Sowohl auf dem Boden als auch in der Luft.
Helene war wie elektrisiert. Sie bemerkte nicht, wie den Vampiren die Nasenflügel zitterten, sobald sie in der Nähe war. Wie die Vampire raunten und sie mit gierigen Blicken verfolgten. Wie ihnen der Speichel von den Eckzähnen tropfte und ihnen Daka und Silvania warnende Blicke zuwarfen.
Die Schwestern wichen ihrer Freundin nicht von der Seite. Eine blieb immer bei Helene. Und dann waren da ja auch noch Onkel Vlad, Tante Karpa, Mihai und Elvira Tepes, die Helene, so gut sie konnten, im Auge behielten. Auch sie hatten sich das Rotzen der Jungfrauen angesehen. Bis auf Vlad Tepes, der am Stand des Blutigen Einheitsflügels die nächste Vampirrevolution ankündigte.
Eine kleine, untersetzte Jungfrau wollte gerade ihre Fruchtbarkeitsbeere auf den ausgestopften Vampir rotzen, als es in einer Baumkrone schepperte. Die Jungfrau kam aus dem Konzept, die Beere kullerte aus ihrer Nase und fiel ihr vor die Füße. Die Jungfrau sah traurig auf die Beere. »Fumpfs.«
In der Baumkrone schraubte jemand an einem Schlagzeug herum. Es schepperte abermals.
»Schlotz zoppo!«, rief Daka. »In fünf Minuten spielen Krypton Krax! Wir müssen uns erstklassige Plätze sichern. Rapedadi!«
Ohrenjucken
E r hatte es gewagt, das Zelt zu verlassen. Dirk van Kombast lag mit dem Bauch auf einem dicken Ast, ungefähr zehn Meter über dem Erdboden. Seine langen, schlanken Beine baumelten nach unten. In den Händen hielt er das Fernglas. Seit Stunden lag er so da. Seine Knochen schmerzten. Sein Nacken war verspannt. Er musste mal.
Aber die Aussicht war es wert. Er hatte die unglaublichsten Dinge gesehen. Ausgewachsene Vampire hatten sich gegenseitig vollgeniest. Die umstehenden Vampire hatten ihnen applaudiert. Ganz gewiss war es ein uraltes Ritual, so etwas Ähnliches wie eine Taufe womöglich. Andere Vampire – soweit Dirk van Kombast es erkennen konnte, waren es nur junge Vampirdamen gewesen – hatten sich etwas in die Nasenlöcher gesteckt und es danach wieder hinausgepustet. Vielleicht eine Art Schnupftabak. Traf eine der Vampirdamen mit dem Schnupftabak die Vampirpuppe, brach großer Jubel aus. Was das zu bedeuten hatte, wusste Dirk van Kombast nicht so recht. War es ein einfaches Spiel und wer die Puppe traf, hatte gewonnen? Oder galt es, ein bestimmtes Körperteil der Puppe zu treffen? Vielleicht bauten die Vampire aber auch ihre Aggressionen ab, indem sie auf eine Puppe rotzten. Dirk van Kombast beschloss, diese Frage demnächst in seinem Vampirjägerforum im Internet zu diskutieren.
Jetzt strömten einige Vampire
Weitere Kostenlose Bücher