Ferien mit Biss
Mädchen sofort. Silvania Tepes. Tochter von Elvira und Mihai Tepes. Halbvampir. Zwölf Jahre alt. Spielt Cello. Vor ein paar Wochen nach Deutschland gezogen.
»Wir müssen etwas bei Ihnen nachschlagen«, sagte ein anderes Mädchen.
Ein Blick genügte, Converso Enzyklopo wusste Bescheid. Dakaria Tepes. Zwillingsschwester von Silvania. Sieben Minuten jünger. Besitzt Blutegel namens Karlheinz. Spielt Schlagzeug.
Converso Enzyklopo kannte die Zwillinge, seit sie zur Schule gingen. Mehrmals hatten sie ihn im Biblionyk aufgesucht und mit seiner Hilfe Geschichtshausaufgaben gemacht.
»Und zwar rapedadi«, fügte Daka hinzu.
»Ich weiß, ich weiß. Heutzutage muss alles immer rapedadi gehen.« Herr Enzyklopo strich sich über die Glatze und dann über das Jackett. »Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin zwar so alt wie die Welt, aber nicht langsam. Also, was darf ich für euch in meinem Gehirn nachschlagen?«
»Murdo Dako-Apusenu«, sagte Daka.
»Wir müssen alles über ihn wissen. Was er gerne isst, welche Hobbys er hat, wie er in der Schule ist, wer seine Eltern sind, ob er Geschwister hat, aus welchem Dorf er kommt – eben einfach alles«, erklärte Silvania.
»Und ob er eine Freundin hat. Oder Freunde«, fügte Daka schnell hinzu.
Silvania stutzte kurz und musterte ihre Schwester einen Moment.
Converso Enzyklopo nickte. »Murdo Dako-Apusenu.« Sofort fing sein Gehirn zu arbeiten an. Wie eine Suchmaschine im Internet durchforstete Herr Enzyklopo seine Erinnerungen. Sie reichten zurück in eine Zeit, als die Menschen noch in Höhlen lebten und die Vampire noch in Nestern. Auf einmal stockte Converso Enzyklopo.
»Und?«, fragte Daka.
»Aber – Murdo Dako-Apusenu ist ja ein lebender Vampir!«, rief Herr Enzyklopo.
»Natürlich. Das ist ja das Problem«, sagte Silvania.
Converso Enzyklopo schüttelte langsam den Kopf. »Habt ihr denn noch nichts vom neuen Datenschirmgesetz gehört? Es wurde erst vor ein paar Tagen im Rodnyk beschlossen. Der gläserne Vampir soll verhindert werden. Deswegen darf der Biblionyk keine vertraulichen Informationen über lebende Vampire herausgeben.«
»Was ist das denn für ein Gumox?« Daka sah Herrn Enzyklopo fassungslos an.
»Aber ... aber wir MÜSSEN etwas über Murdo herausfinden«, sagte Silvania. Sie warf Converso Enzyklopo einen flehenden Blick zu. »Bitte! Es geht um Leben und Tod!«
»Um euer Leben?«, fragte Herr Enzyklopo.
»Nein. Aber um das unserer besten Freundin«, sagte Silvania.
»Und unserer einzigen«, fügte Daka hinzu.
Converso Enzyklopo wurde hellhörig. Er liebte gute Geschichten. Da er schon alle guten Geschichten kannte, dürstete ihm nach neuen guten Geschichten. Das hier klang nach einer guten Geschichte. Nach einer sehr guten. »Jetzt erzählt doch erst mal in Ruhe, was passiert ist.«
Silvania seufzte. »Wir haben keine Zeit. In ein paar Minuten ist Mitternacht.«
»Und dann trifft sich Helene mit Murdo«, ergänzte Daka.
»Na schön, dann erzählt mir eben alles ganz schnell«, sagte Converso Enzyklopo. Diese Geschichte klang wie eine riesengroße Schokoladentorte. Am liebsten hätte sich Converso Enzyklopo die Torte genüsslich und in aller Ruhe auf der Zunge zergehen lassen. So musste er sie eben herunterschlingen. Immer noch besser als gar keine Schokotorte.
Daka und Silvania sahen sich an. Dann zuckten sie mit den Schultern und begannen zu erzählen. Sie redeten schnell, durcheinander und laut. Sie redeten mit den Händen, den Füßen und den Ohren. In weniger als einer Minute hatten sie Herrn Enzyklopo ins Bild gesetzt.
Converso Enzyklopo fuhr sich mit beiden Händen über die Glatze. Das war wirklich eine gute Geschichte. Ein Menschenmädchen unter lauter Vampiren. Verliebt in einen Vampir. Allein im Wald mit ihm. Verfolgt von zwei Halbvampiren.
»Sagen Sie uns jetzt, mit wem wir es bei Murdo Dako-Apusenu zu tun haben?« Silvania blinzelte Herrn Enzyklopo an. Sie lächelte beschwörend.
Converso Enzyklopo blickte zwischen den Schwestern hin und her. Er mochte diese beiden Mädchen. Sie hatten sein Leben um eine gute Geschichte bereichert. Außerdem waren sie die Töchter von Mihai Tepes. Der wiederum war der Sohn von Sango Tepes. Der war der Sohn von Inaita Tepes. Inaita Tepes, geborene Bradet, war die Schwester von Crudo Bradet. Und mit dem hatte Converso Enzyklopo jahrhundertelang in einer Höhlenhockeymannschaft gespielt. Sie hatten meistens gewonnen.
Converso Enzyklopo beschloss, das Datenschirm-gesetz etwas lockerer
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