Ferien mit Biss
gegriffen und war ihr gefolgt. Wie wichtig es war, die Knoblauchpistole mitzunehmen, zeigte sich schon wenige Minuten später. Helene lief zur Waldlichtung, auf der vergangene Nacht die Nationalfeier stattgefunden hatte. Dort wurde sie bereits erwartet. Nicht von ihren beiden Freundinnen. Auch nicht von Mihai und Elvira Tepes. Auf Helene wartete ein Vampir.
Dirk van Kombast vergaß selten ein Gesicht. Als Pharmavertreter war sein Blick geschult. Er erkannte den Vampir sofort: Es war der Sänger dieser ohrschmerzerzeugenden Band. Dirk van Kombast hatte gesehen, wie der Sänger Helene auf die Bühne geflogen und sie danach durch die Luft gewirbelt hatte. Als wäre sie ein Jojo. Die Kräfte dieses Vampirs mussten gewaltig sein. Dabei war er höchstens fünfzehn oder sechzehn.
Was hatte dieser singende Vampir mit Helene Steinbrück vor? Ihr die Sterne zeigen? Wohl kaum. Wie hatte er es geschafft, sie mitten in der Nacht in den Wald zu locken? Gut möglich, dass er sie hypnotisiert hatte. Wo waren Helenes Freundinnen? Wollten sie Helene diesem Vampir opfern? War das der eigentliche Grund, warum sie Helene Steinbrück mit nach Transsilvanien genommen hatten? Dirk van Kombast war sich nicht ganz sicher. Aber grundsätzlich traute er Vampiren und Halbvampiren alles zu.
Zum Glück war er zur Stelle. Die Augen hellwach, der Verstand scharfsinnig, den Finger am Abzug. Auch wenn er Helene Steinbrück nur vom Sehen kannte. Auch wenn sie mit zwei Halbvampiren befreundet war. Sie war dennoch ein Mensch. Dirk van Kombast fühlte sich allein aus dem Grund mit ihr verbunden. Er würde Helene und den Vampir nicht aus den Augen lassen.
Nachdem er den beiden ein paar Meter gefolgt war, stellte er fest, dass das nicht einfach werden würde. Denn Helene und der Vampir verschwanden in einem kleinen schwarzen Loch. Vermutlich der Eingang zu einer Höhle.
Dirk van Kombast zögerte. Sollte er den beiden folgen? Er hatte Zweifel, ob er überhaupt durch das Loch passen würde. Womöglich würde er im Höhleneingang feststecken wie ein Hotdog-Würstchen in einem Brötchen. Er konnte nicht vor und nicht zurück. Dann war er dem Vampir ausgeliefert. Er konnte ungehindert zubeißen. Dirk van Kombast fuhr sich über den Hals. Er beschloss, vor dem Loch zu warten. Er würde lauschen. Vielleicht würde er auch einmal den Kopf ins Loch stecken. Nur ganz kurz.
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D aka hatte die Kapuze ihres warmen schwarzen Kängurushirts aufgesetzt und festgebunden. Es fühlte sich an, als hätte sie einen Helm auf. Der wäre nicht schlecht gewesen. Daka schoss mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Stunde durch den Wald. Sie flog auf Höhe der Baumkronen. Wie eine Skifahrerin schoss sie im Slalom um die Bäume herum. Manchmal nahm sie ein Blatt mit. Manchmal einen Ast. Einmal sogar ein Eichhörnchen.
Daka wollte auf keinen Fall an Murdo und Helene vorbeifliegen. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und war hoch konzentriert. Das war nicht einfach. Denn etwas zwickte sie im rechten Zeh. Es war kein Krümel Heimaterde, den sie zwischen den Zehen aufbewahrte. Es waren auch nicht ihre dicken, löcherigen Socken. In ihrem rechten Zeh zwickte Daka ein Schuldgefühl. Sie hatte keine Ahnung, wie es dorthin gekommen war. Aber nun war es eben da. Und es zwickte. Wäre Daka vorhin nicht so albern eifersüchtig gewesen, hätte sie nicht so lange gezögert und sich erst von Silvania und Bogdan überreden lassen müssen, hätten sie Helene bestimmt schon längst gefunden. Doch jetzt war es schon Viertel nach Mitternacht. Von Helene und Murdo gab es keine Spur.
Ungefähr zehn Meter unterhalb von Daka flog Bogdan. Sein Mittelscheitel war vom Flugwind zersaust. Seine haselnussbraunen Augen tränten. Vom Wind. Nicht, weil sie Helene noch nicht gefunden hatten. Obwohl das ein guter Grund zum Weinen gewesen wäre. Ab und zu schielte Bogdan nach unten auf Silvania.
Silvania flog dicht über dem Erdboden. Es war gar nicht so einfach, den Wald nach Helene und Murdo abzusuchen und gleichzeitig auf die Baumstämme zu achten, die rasant entgegenkamen. Außerdem hatte Silvania zusätzliches Fluggewicht. Es war kein Handgepäck, sondern Fußgepäck. In ihren Schuhspitzen, die wie Schlittenkufen nach oben gebogen waren, hatten sich jede Menge Blätter, Äste und Gräser verfangen. Silvania versuchte, das Fußgepäck abzuschütteln. »Fumpfs!«, schimpfte sie. Sie sah auf ihre Füße, wackelte mit den Fußspitzen und rief: »Znicnak!«
Die
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