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Ferien mit Biss

Ferien mit Biss

Titel: Ferien mit Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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nickte. »Ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen.« Murdo hatte Helene in eine Grotte geführt. Es war eine geheime Grotte. Murdo hatte sie entdeckt. Dort hatte er Helene glitzernde Gesteine, Wassermolche und Flohkrebse gezeigt. Helene hatte sich in der Grotte fast so wohlgefühlt wie auf einem Friedhof.
    Helene lächelte Murdo an.
    Murdo sah ernst zurück. Er hielt ihre Hand fest umschlungen. Im bläulichen Mondlicht wirkte seine Haut noch blasser. Auf seiner Stirn war ein Äderchen zu erkennen. Seine Lippen waren schmal und dunkellila. Deutlich hoben sich die spitzen Eckzähne von ihnen ab. Murdos Kieferknochen waren kräftig, die Wangen leicht nach innen gewölbt. Seine Augen lagen tief in den Höhlen. Seine Wimpern waren dicht und schwarz. Ebenso die Augenbrauen.
    Murdo war mindestens einen Kopf größer als Helene. Er war schlank und seine Arme waren überproportional lang. Seine Füße überproportional groß.
    Helene fand, Murdo sah unwiderstehlich gut aus. Und er war verwegen. Und romantisch. Und gefährlich. Murdo war perfekt. Helene war froh, dass sie ihr Hörgerät noch schnell vor dem Treffen herausgenommen und in die Hosentasche gesteckt hatte. Sie wollte auch perfekt sein. Perfekt für Murdo.
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Murdo sich verstohlen etwas Speichel aus dem Mundwinkel wischte. Sabberte er? Helene war bei ihrem Besuch in Bistrien schon aufgefallen, dass viele Vampire das taten. Wahrscheinlich produzierten sie einfach mehr Speichel als Menschen. Oder aber ...
    Helene musste an die Warnung ihrer besten Freundinnen denken. Und an Ludos Vorhersage: »Ohne Freundinnen bist du zwar nicht allein, aber in einer Gefahr, die du nicht erkennst.« War sie mit Murdo in Gefahr? War sie eine Milchkuh?
    Helenes Blick streifte Murdo von oben bis unten. Vielleicht wollte er tatsächlich nur ihr Blut. Natürlich hätte Helene lieber einen Knutschfleck von ihm bekommen als einen Biss. Aber was sollte sie tun, wenn er versuchen würde, sie zu beißen? Sich wehren? Es einfach geschehen lassen? Er würde sie beißen. Sie aussaugen. Und dann würde Helene ein Vampir sein. Eine Untote. Ein fliegendes Wesen der Nacht. Sie würde sein wie Murdo. Sie würde zu ihm gehören. Für alle Ewigkeit.
    Aber vielleicht würde der Biss wehtun. Sehr wahrscheinlich sogar. Außerdem war das heute ihre erste Verabredung. Helene würde Murdo gerne etwas kennenlernen, bevor sie bis in alle Ewigkeit mit ihm zusammen war.
    »Setzen wir uns?«, riss Murdo Helene aus den Gedanken.
    »Du willst dich mit mir fetzen?« Helene sah Murdo erstaunt an.
    Murdo blickte ebenso erstaunt zurück. »Setzen. Dort drüben.« Murdo zeigte auf einen Baum, der umgefallen war und der Länge nach auf dem Waldboden lag.
    »Oh. Setzen. Klar doch.« Helene kribbelte es bis in die Haarwurzeln. Wie peinlich. Vielleicht hätte sie das Hörgerät doch drinlassen sollen. Jetzt war es zu spät.
    Murdo setzte sich auf den Baumstamm. Helene setzte sich dicht neben ihn. Mit viel Glück hätte ein Eichhörnchen noch zwischen sie gepasst. Es musste aber ein schlankes Eichhörnchen sein.
    Murdo hielt Helenes Hand noch immer umschlungen. Er hob sie hoch und führte sie vor seine Augen. Er musterte Helenes Handrücken. »Du hast zarte Hände.«
    »Echt?« Das hatte Helene noch nie jemand gesagt.
    Bis jetzt war es ihr auch noch nicht aufgefallen. Sie hatte ganz normale Hände. Mit jeweils fünf Fingern dran. »Ähm ... Danke.«
    Murdo drehte Helenes Hand um und betrachtete ihr Handgelenk. Er zog die dunklen Augenbrauen hoch. »Und schöne Adern.«
    Helene schielte verängstigt zu Murdo. »Aha.«
    Murdo betrachtete Helene einen Moment nachdenklich. Er blinzelte nicht. Er schien noch nicht einmal zu atmen.
    Helene hatte das Gefühl, der Baumstamm unter ihr löste sich gerade in Sägespäne auf. Wenn Murdo sie noch länger so ansah, verlor sie jeglichen Halt.
    »Du hast ziemlich kleine Ohrmuscheln«, sagte Murdo leise.
    Helene warf Murdo einen verschämten Blick zu. Er wollte, dass sie sich nicht zierte und mit seinen Ohren kuschelte? Andererseits ... warum nicht? Helene rutschte noch weiter an Murdo heran. Sie reckte ihren Kopf. Dann rieb sie ihr Ohr an seinem. Vielleicht war das unter Vampiren ein Zeichen der innigen Zuneigung. Es fühlte sich sehr gut an, fand Helene.
    Murdo saß stocksteif da. Er schielte zu Helene. Sie hatte die Augen geschlossen und rieb ihr Ohr an seinem. Vielleicht machte man das unter Menschen so, wenn man nachts im Wald saß. Murdo fand, es

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