Ferien mit Mama und andere Katastrophen
wo dein Nachtschwarm wohnt. Aber wenn du ihm nicht noch mehr Ärger einbrocken willst, vergiss ihn besser.«
Dass ich so leicht zu durchschauen war, ärgerte mich. Grimmig stapfte ich neben Kubasch her. Ich dachte an die wundervolle Nacht auf dem Friedhof. Das sollte alles gewesen sein? Und nicht mal ein Kuss zum Abschied?
»Sophie, es ist dem Personal verboten, mit den Hotelgästen anzubändeln.«
Anzubändeln? Ich wollte mich schon aufregen, fragte dann aber kleinlaut: »Hat Nikos jetzt wegen mir seine Arbeit verloren?«
»Er kann von Glück reden, dass der Küchenchef sein Vater ist. Deshalb hat ihn der Hoteldirektor nur die nächsten zwei Wochen gesperrt.«
Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Das bedeutete, dass ich Nikos nie wiedersah. Kubasch legte mir einen Arm um die Schultern. Wenn er noch ein Wort sagte, würde ich losheulen wie ein Schlosshund. Doch er schwieg.
Als der Weg einen kleinen Fluss kreuzte und Kubasch hinabstieg, um seine leere Wasserflasche aufzufüllen, holte Mama uns wieder ein. Ich kniete am Ufer und wusch mir gerade das Gesicht, als sie von oben rief: »Ist das nicht schön hier, Sophie?!«
Superschön war das hier! Von mir aus konnte Charlotte wieder Tanning Queen werden. Es war mir egal, wenn ich nur eines durfte: Nikos wiedersehen. Wenigstens ein einziges Mal.
Mama war inzwischen weitergelaufen und echote vor uns durch die Schlucht. Die neuen Schuhe hatten sie völlig verwandelt. Kubasch wartete, bis ich wieder oben auf dem Weg stand.
»Du hast mich doch verstanden, Sophie, oder?«
Ich nickte. Aber ich hatte nicht wirklich begriffen, was für ein Verbrechen wir begangen haben sollten, dass man Nikos so hart dafür bestrafte. Irgendwo in meinem Kopf sprach leise eine Stimme: Lass es sein, Sophie, bitte! Du machst es nur noch schlimmer! Doch was sollte schlimmer sein als dieser schreckliche Schmerz, der mich langsam von innen durchbohrte?
Kilometer um Kilometer schleppte ich mich durch die heiße Schlucht. Kubasch trieb mich ständig an, damit ich nicht zurückblieb. Und alle hundert Meter nervte er mich mit seinem Wasser. Als das alles nicht mehr half, weil ich immer öfter über meine Füße stolperte, versuchte er es mit Überreden.
»Komm, Sophie, bis zur ersten Pause schaffst du das noch.«
Doch ich schaffte es nicht. Ich setzte mich auf einen Stein. Von mir aus konnte jetzt der Rettungsesel kommen. Keinen Meter ging ich mehr.
»Sophie, ich weiß, wie du dich fühlst«, versuchte es Kubasch dann auf die Tour.
»Das können Sie gar nicht!«, schnaubte ich.
Er kniete sich vor mich hin und nahm einen Schluck aus seiner Flasche. »Doch, kann ich«, sagte er, als er den Verschluss wieder aufschraubte. »Weißt du, wie ich auf dieser Insel gelandet bin?«
»Das interessiert mich nicht.«
»Ich hatte mich verliebt.«
»Na und?«
Kubasch stand auf und verstaute die Flasche wieder in seinem Rucksack.
»Damals habe ich noch studiert. Ich wollte mal Lehrer werden. Das Mädchen arbeitete in einem kleinen Hotel im Süden der Insel.«
Kubasch lief weiter: »Komm!«, rief er. »Den Rest erzähl ich dir unterwegs!«
Stöhnend folgte ich ihm. Die Geschichte wollte ich mir aus irgendeinem Grunde nicht entgehen lassen.
Kubasch hatte daheim dann richtig Griechisch gelernt und ist im nächsten Sommer wieder hergefahren. Er lernte alles über die Insel, um das Mädchen zu beeindrucken. Drei Sommer lang hat er sich in dem Hotel einquartiert, in dem sie arbeitete. Doch Georgia hatte genug vom Inselleben. Als er im vierten Sommer kam, war sie nach Amerika verschwunden. Sein Studium hatte er inzwischen hingeworfen, und da er nicht wusste, was er mit all seinem Götterwissen nun anfangen sollte, ist er Reiseleiter geworden.
»Und Georgia?«, fragte ich. »Haben Sie sie wiedergesehen?«
Kubasch schüttelte den Kopf.
Das wird mir nicht passieren, dachte ich. Ich würde schon herausbekommen, wo Nikos wohnte. Aber dazu musste ich lebendig aus dieser Schlucht herauskommen und nicht am Weg verdorren. Den Rest der Wanderung musste Kubasch mich nicht mehr antreiben. Ich lief und trank und lief. Das wird keine von diesen traurigen Sommergeschichten, schwor ich mir, sie geht gut aus. Auch wenn ich noch nicht wusste, wie ich das anstellen sollte.
Es war schon spät am Abend, als wir zum Hotel zurückfuhren. Im Bus herrschte eine bleierne Ruhe. Die Hitze und der lange Fußmarsch hatten alle geschafft. Die Bildungshüter machten die Augen zu. Selbst Mama hatte ihren Kopf auf meine
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