Ferien mit Mama und andere Katastrophen
hatte Kubasch bestimmt von meiner Klettertour erzählt und da konnte er ja eins und eins zusammenzählen. Wenigstens würden sie keinen Suchtrupp losschicken und nicht befürchten, ich sei ertrunken.
Ärger würde es so oder so geben. Dass Erwachsene nicht verstehen können, dass man wegen eines Lächelns die steilsten Felsen hinaufklettert. Mama hatte sich ja auch nur wegen seiner blauen Augen in meinen Vater verliebt. Meine sind genauso blau, was auf Kreta aber keine Pluspunkte brachte. Hier waren alle vor dem bösen Blick auf der Hut, besonders vor dem aus blauen Augen. Wahrscheinlich hielt deshalb keines der Autos an, die an mir vorbeifuhren. Ich sah einfach schon von Weitem nach Ärger aus.
Müde stapfte ich weiter. Ab und an tauchte neben mir das Meer auf. Der Wind hatte nachgelassen, schwere Nachmittagshitze drückte auf den Asphalt. Wie gern hätte ich jetzt auf der Helena gesessen und mich zum Hotel schippern lassen. Stattdessen konnte ich mir den Kopf zerbrechen, wie ich da allein wieder hinfand!
Ich lauschte auf das Bremsgeräusch eines Autos, jedoch vergeblich. Auf den feuchtwarmen Stoß, der mich plötzlich in den Rücken traf, war ich überhaupt nicht vorbereitet. Erschrocken sprang ich beiseite.
Hinter mir stand ein alter, grauer Esel. Obendrauf hockte eine schwarze Kopftuch-Oma mit zwei Körben am Sattel. Hinter ihnen lief noch ein kleinerer Esel, aber ohne Gepäck. Die Oma schnalzte mit der Zunge.
Ich trat beiseite, doch die Karawane rührte sich nicht. Dann eben nicht, dachte ich und lief weiter. Nach ein paar Metern bekam ich erneut einen Stups in den Rücken. Ich war sauer, doch die Oma lächelte. Ihr schienen meine blauen Augen nichts auszumachen. Sie deutete auf den kleinen Esel. Sollte ich mich da etwa draufsetzen?
Die Alte nickte erfreut mit dem Kopf, als ich ihrem Esel die schwarzen Ohren streichelte. Ich wollte ja nur testen, ob mich das Vieh auch mochte. Als ich mich vorsichtig hinaufzog, bewegte es sich nicht von der Stelle. Aber dann schnalzte die Alte mit der Zunge und ab ging die Marie!
Reiten sieht aus der Ferne immer so elegant aus. Aber wenn man ohne Sattel und nur im Bikini auf einem klapperdürren Esel hockt, stellt sich das Ganze anders dar. Bei jeder Bewegung bohrten sich die Knochen meiner Mitfahrgelegenheit in mein Hinterteil. Dabei war dieses das Einzige, was mir nach der Klettertour noch nicht wehgetan hatte. Das änderte sich jetzt schlagartig.
Jetzt nahmen endlich auch die Autofahrer Notiz von mir. Sie hupten wie die Blöden, was die Esel ein wenig nervös machte. Meiner senkte ständig den Kopf, sodass ich aufpassen musste, nicht vornüberzukippen. Die Oma war entweder taub oder es interessierte sie einfach nicht, was da neben uns auf der Straße vonstattenging. Na, ihr galt die Huperei ja auch nicht. Ich wäre am liebsten in einem der langen Eselsohren verschwunden.
Als wir ein Stück vorangekommen waren, war neben uns wieder das Meer zu sehen. Die Straße verlief in einer langen Senke, man war gleichauf mit dem Strand. Und da sah ich sie von Ferne, die Helena , wie sie langsam durch die Bucht glitt. Ich sprang von dem Esel herunter, winkte der Oma noch ein Dankeschön zu und rannte Richtung Wasser. Ich brüllte, was ich konnte und winkte mit beiden Händen. Aber konnten sie mich bei der Entfernung überhaupt hören? Scheinbar nicht, denn die Helena hielt stur ihren Kurs.
Da entdeckte ich am Strand eine zerschlagene Flasche. Was vorhin mit dem Motorradspiegel funktioniert hatte, musste doch auch mit diesen Scherben gehen. Ich nahm die beiden größten und hielt sie ins Sonnenlicht. Dann stellte ich mich auf einen großen Stein und funkelte, was das Zeug hielt. Nichts passierte. Die Helena fuhr weiter.
In meinem Hals stieg Panik auf, denn inzwischen war auch die Oma mit dem Esel verschwunden. Wenn ich Pech hatte, konnte ich die Nacht allein hier draußen verbringen. Doch da! Ein kleiner Blitz funkelte auf der Helena ! Sie hatten mich entdeckt.
Das Schiff änderte seinen Kurs, zu nah konnte es aber nicht ans Ufer heran. Schließlich setzten sie das Schlauchboot aus. Und dann sah ich Kubasch auf mich zupaddeln. Ausgerechnet er! Würde er mich gleich hier zur Schnecke machen? Oder würde er warten, bis ich an Bord war? Keine Ahnung.
Als ich dann im Schlauchboot hockte, sagte er kein Wort. Er wendete das Boot und paddelte zurück zur Helena . Aber als ich Luft holte, um ihm meine Geschichte von der verirrten Schwimmerin aufzutischen, presste er stöhnend hervor:
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