Ferienhaus für eine Leiche: Schweden-Krimi mit Rezepten (German Edition)
müssen!«
Lundquist schwieg.
Ausnahmsweise hatte Kramp Recht, dachte er, er hätte ihn noch am Abend informieren sollen. Nach seinem Besuch bei Dr. Palm hatte er gar nicht mehr daran gedacht.
»Willst du dich nicht dazu äußern, Sven?« Lundquist entging der drohende Unterton nicht. Er bemühte sich Ruhe zu bewahren und antwortete:
»Doch. Es tut mir Leid, dass die Presse das Thema so hochgespielt hat. Natürlich hätten wir dich informieren müssen. Wir sind bis spät in die Nacht noch Hinweisen nachgegangen, haben die Aufgaben für den nächsten Morgen verteilt, und darüber habe ich völlig vergessen, mich bei dir zu melden«, presste Lundquist zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Du hast es vergessen!«, höhnte Dr. Kramp. »Dann hole es jetzt gefälligst nach und zeig mir eure bisherigen Ergebnisse und Berichte! Vergessen, pah!«
Als Lundquist eine halbe Stunde später das Büro wieder verließ, atmete er im Flur erleichtert auf. Dr. Kramp würde jetzt eine improvisierte Pressekonferenz abhalten und die Medien beruhigen. Mit ein bisschen Glück konnten sie in der Zwischenzeit ungestört durch seine Vorwürfe weiter ermitteln!
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr: Schon neun Uhr dreißig! Noch gut acht Stunden bis zu seinem Termin bei Dr. Baum, dachte Lundquist und zuckte zusammen.
»Na, hat er ordentlich gemeckert? Konnte er so richtig Dampf ablassen, uns Vorwürfe machen?« Knyst, derwusste, dass die beiden Männer sich nicht verstanden, feixte Lundquist an. »Ich hoffe, du hast ihn mit ausreichend Futter versorgt!«
Vor zwei Jahren war es zwischen den beiden zu einer erbitterten, lautstark geführten Diskussion über die richtige Vorgehensweise in einem Entführungsfall gekommen. Nach dem missglückten Versuch, einer alten Dame in der Einkaufspassage Nordstaan die Handtasche zu entreißen, hatten Passanten die Verfolgung des Täters aufgenommen und ihn in der Fußgängerzone in einen Hauseingang getrieben.
Als ein unbeteiligtes Kind zufällig vorbeikam, ergriff der Täter den vierjährigen Jungen und drohte damit, ihn zu töten, sollte man ihn nicht unbehelligt ziehen lassen. Um seine Worte zu unterstreichen, bedrohte er das Kind mit einer Waffe, die er in der Anoraktasche versteckt hatte. Anwohner benachrichtigten die Polizei, die mit Blaulicht und Sirene vorfuhr und Scharfschützen vor dem Haus postierte. Als der Geiselnehmer das Polizeiaufgebot sah, zerrte er den Jungen in die oberen Stockwerke und nötigte ihn, sich in ein geöffnetes Hausflurfenster in der sechsten Etage zu setzen und die Beine nach draußen baumeln zu lassen. Er selbst hielt das weinende Kind um die Taille und kündigte an, wenn die Polizisten nicht abzögen, würde er den Kleinen einfach hinunterstoßen.
In der Dienststelle erörterte man derweil in einer eilig zusammengestellten Sondergruppe das weitere Vorgehen. Lundquist plädierte dafür, die Beamten abzuziehen und den Täter nach seinem Verlassen des Hauses zu verfolgen und später zu verhaften, während Dr. Kramp eher eine unnachgiebige Position vertrat und empfahl, den Scharfschützen Schießbefehl zu erteilen.
Er meinte, man dürfe sich von solchem ›Abschaum der Gesellschaft‹ nicht erpressen lassen, man müsse jetzt ein deutliches Zeichen für alle Folgetäter setzen. Lundquist gab zu bedenken, dass sie noch keinerlei gesicherte Informationen über den Geiselnehmer hatten. Er riet abzuwarten und einen Psychologen hinzuschicken, der mit dem Mann sprechen sollte. Dr. Kramp setzte sich mit seiner Entscheidung durch – schließlich war er Leiter der Sonderkommission und ließ weitere Scharfschützen auf den Dächern und in Wohnungen der umliegenden Häuser Posten beziehen.
Später wurde rekonstruiert, was sich vor dem Haus ereignet hatte. Ein übereifriger Polizist schoss vom Dach des Nebenhauses, wo er sich hinter dem Schornstein versteckt gehalten hatte, auf den Mann, als dieser sich neben dem Jungen im Fenster zeigte. Die Kugel bohrte sich in den Oberarm des Kidnappers, der einen lauten Schmerzensschrei ausstieß und seinen blutenden Arm heulend umklammerte.
Dabei ließ er das Kind los.
Der Junge stürzte in die Tiefe und schlug auf dem Asphalt auf.
Er war sofort tot.
Lundquist, dessen eigene Tochter damals gerade erst zwei Jahre alt gewesen war, hatte völlig die Beherrschung verloren, als die Nachricht ihn erreichte. Er warf Dr. Kramp offen Unfähigkeit vor und beschuldigte ihn, den Tod des Jungen verschuldet zu haben. Dr. Kramp verteidigte
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