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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Bengels.
    »Fergus!« rief ich. »Fergus, bist du’s wirklich? Steh auf in Gottes Namen - laß dich anschauen!«
    Er stand auf, ließ mir aber keine Zeit, ihn zu betrachten, sondern drückte mich fest an sich, und auch ich schloß ihn in die Arme. Er war kaum älter als zehn gewesen, als ich ihn das letztemal sah, kurz vor Culloden. Jetzt war er ein Mann, und seine Bartstoppeln scheuerten an meiner Wange.
    »Ich dachte, ich sehe ein Gespenst!« rief er. »Sie sind’s also wirklich?«
    »Ja, ich bin’s«, beruhigte ich ihn.
    »Haben Sie den Herrn gesehen?« fragte er aufgeregt. »Weiß er, daß Sie hier sind?«
    »Ja.«
    »Oh!« Er zwinkerte und trat einen halben Schritt zurück, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. »Aber - aber, was ist mit -« Verwirrt hielt er inne.
    »Was ist womit?«
    »Da bist du ja! Was in Gottes Namen machst du hier oben, Fergus?« Plötzlich stand Jamie in der Tür. Als er mich in dem bestickten Hemd sah, bekam er große Augen. »Wo sind deine Kleider?« fragte er. »Laß nur«, sagte er dann und wedelte ungeduldig mit der Hand, als ich zu einer Antwort ansetzte. »Ich hab’ jetzt keine Zeit. Komm, Fergus, auf der Gasse draußen stehen siebenhundert Liter Branntwein, und die Zöllner sind mir auf den Fersen!«
    Im nächsten Moment polterten sie die Holztreppe hinunter, und ich blieb wieder einmal allein zurück.

     
    Ich wußte nicht, ob ich mich den anderen anschließen sollte oder nicht, aber schließlich siegte die Neugier. Nach einem kurzen Besuch im Nähzimmer, wo ich mir ein riesiges, halb mit Malven besticktes Umschlagtuch überwarf, schlich ich nach unten.
    Im Erdgeschoß blieb ich an der Tür stehen und horchte auf das Geräusch rollender Fässer, um mich zu orientieren. Da spürte ich plötzlich einen Luftzug an meinen nackten Füßen, drehte mich um und sah einen Mann in der offenen Küchentür stehen.
    Er sah genauso überrascht aus wie ich, doch dann zwinkerte er mir zu, lächelte, kam auf mich zu und packte mich am Ellbogen.
    »Guten Morgen, meine Liebe. Ich hätte nicht erwartet, daß eine von euch Damen schon so früh auf den Beinen ist.«
    »Na, Sie kennen doch sicher den Spruch: Früh zu Bett und früh heraus…«, sagte ich und versuchte, ihm meinen Ellbogen zu entwinden.
    Er lachte und entblößte dabei ziemlich häßliche Zähne. »Nein, wie heißt er denn, der Spruch?«
    »Tja, genaugenommen ist er in Amerika besser bekannt«, erwiderte ich, da mir plötzlich klarwurde, daß Benjamin Franklin, auch wenn er bereits publizierte, in Edinburgh wahrscheinlich keinen großen Leserkreis hatte.
    »Du hast Grips, Schätzchen«, sagte er lachend. »Sie hat dich wohl als Lockvogel runtergeschickt, oder?«
    »Nein. Wer?«
    »Die Madame.« Er sah sich um. »Wo steckt sie?«
    »Keine Ahnung. Lassen Sie mich los!«
    Statt dessen packte er mich noch fester. Als er sich über mich beugte, um mir etwas ins Ohr zu flüstern, stieg mir schaler Tabakgeruch in die Nase.
    »Es ist eine Belohnung ausgesetzt, weißt du«, murmelte er vertraulich. »Ein Prozentanteil vom Wert der beschlagnahmten Schmuggelware. Niemand bräuchte davon zu erfahren.« Er stupste mit dem Finger gegen meine Brust. »Was sagst du dazu, Schätzchen?«
    Ich starrte ihn an. »Die Zöllner sind mir auf den Fersen«, hatte Jamie gesagt. Das mußte einer von ihnen sein; ein Beamter der Krone, dessen Auftrag es war, Schmuggel zu unterbinden und Schmuggler zu verhaften.

    »Wovon reden Sie?« fragte ich und versuchte, verwirrt zu klingen. »Und zum letztenmal, lassen Sie mich los!« Bestimmt war er nicht allein. Wie viele mochten sich noch in der Nähe herumtreiben?
    »Ja, bitte loslassen«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich sah, wie der Zollbeamte große Augen bekam, als er über meine Schulter blickte.
    Mr. Willoughby stand in seinem verknitterten Seidenanzug auf der zweiten Treppenstufe und hielt mit beiden Händen eine große Pistole umklammert. Höflich nickte er dem Zollbeamten zu.
    »Keine stinkende Hure«, erklärte er und zwinkerte mit beiden Augen. »Ehrenwerte Ehefrau.«
    Der Zollbeamte, den das unerwartete Auftauchen des Chinesen etwas aus der Fassung brachte, sah uns ungläubig an.
    »Ehefrau? Sie sagen, sie ist Ihre Ehefrau?«
    Mr. Willoughby, der offenbar nur das Wort verstand, auf das es ankam, nickte freundlich.
    »Ehefrau«, wiederholte er. »Bitte loslassen.« Seine Augen waren blutunterlaufen - er war längst noch nicht ausgenüchtert.
    Der Zöllner zog mich näher an sich heran und warf Mr.

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