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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mir vorstellen«, sagte ich. »Dann warst du es, den Madame Jeanne um zehn erwartete?«
    »Aye. Sie sollte um Punkt zehn die Kellertür öffnen und die Rampe bereitstellen - wir haben nicht viel Zeit, alles auszuladen.
Heute morgen war sie viel zu spät dran. Ich mußte zweimal um den Block fahren, damit ich die Dragoner nicht direkt vor die Haustür führte.«
    »Sie war ziemlich beunruhigt«, sagte ich und erzählte Jamie vom Mord in der Green-Owl-Taverne. Er verzog das Gesicht und bekreuzigte sich.
    »Armes Mädchen«, sagte er.
    Schaudernd erinnerte ich mich an Brunos Schilderung und trat näher an Jamie heran, der den Arm um meine Schultern legte. Er küßte mich geistesabwesend auf die Stirn und warf einen Blick auf die verhüllte Gestalt zu unseren Füßen.
    »Wer immer er gewesen sein mag, ein Zöllner war er nicht, folglich müssen wir wohl nicht mit einer Hausdurchsuchung rechnen. Wir könnten also bald hier raus.«
    »Das ist gut.« Jamies Rock reichte mir bis zu den Knien, aber ich spürte die verstohlenen Blicke der anderen auf meinen bloßen Waden, und es war mir nur zu deutlich bewußt, daß ich darunter nackt war. »Gehen wir zurück zur Druckerei?« Ich wollte Madame Jeannes Gastfreundschaft nicht länger als nötig in Anspruch nehmen.
    »Vielleicht für eine Weile. Ich muß nachdenken«, sagte Jamie geistesabwesend.
    »Was hast du eigentlich mit Ian gemacht?«
    Er sah mich verständnislos an, doch dann hellte sich seine Miene auf.
    »Ach so, Ian. Ich habe ihn in den Tavernen oberhalb von Market Cross Nachforschungen anstellen lassen. Ich darf nicht vergessen, mich später mit ihm zu treffen«, murmelte er.
    »Übrigens habe ich den jungen Ian gesehen«, bemerkte ich beiläufig.
    Jamie sah mich verblüfft an. »Er ist hier aufgetaucht?«
    »Allerdings. Er hat dich gesucht - ungefähr eine Viertelstunde, nachdem ihr gegangen wart.«
    »Man soll Gott auch für kleine Gaben danken!« Er fuhr sich durch die Haare und sah gleichzeitig amüsiert und besorgt aus. »Es wäre mir ziemlich schwergefallen, Ian zu erklären, was sein Sohn hier zu suchen hat.«
    »Du weißt, was er hier zu suchen hat?« fragte ich ihn neugierig.

    »Nein, natürlich nicht! Er sollte eigentlich - nein, lassen wir das. Darüber kann ich mir im Moment keine Gedanken machen. - Hat der junge Ian gesagt, wo er hinwollte, als er ging?«
    Ich schüttelte den Kopf und zog den Rock enger um mich und er nickte, seufzte und begann nachdenklich auf und ab zu gehen.
    Ich setzte mich auf ein aufrechtstehendes kleines Faß und sah ihm zu. Trotz der Unbequemlichkeiten und der drohenden Gefahren war ich wahnsinnig glücklich, bei ihm zu sein. Da ich im Augenblick wenig tun konnte, um die Lage zu entschärfen, gab ich mich einfach dem Vergnügen hin, ihn zu betrachten.
    Obwohl tief in Gedanken versunken, bewegte er sich mit der Anmut und Sicherheit eines Schwertkämpfers, eines Menschen, der sich seines Körpers so bewußt ist, daß er ihn ganz und gar vergessen kann. Ich sah, wie zwei Finger seiner rechten Hand zuckten und gegen seinen Schenkel trommelten - eine Geste der Nachdenklichkeit, die mir seltsam vertraut war. Ich hatte ihn das tausendmal tun sehen, und jetzt, wo ich es wieder sah, war mir, als wären wir nicht länger als einen Tag getrennt gewesen.
    Als erriete er meine Gedanken, blieb er stehen und lächelte mich an.
    »Ist dir denn warm genug, Sassenach?« fragte er.
    »Nein, aber das spielt keine Rolle.« Ich stand von meinem Faß auf und schob meine Hand in seine Armbeuge, um mit ihm auf und ab zu wandern. »Bist du schon zu einem Ergebnis gekommen?«
    Er lachte kläglich. »Nein. Mindestens ein halbes Dutzend Sachen gehen mir gleichzeitig durch den Kopf, und die Hälfte davon kann ich sowieso nicht ändern. Zum Beispiel daran, ob der junge Ian wirklich da ist, wo er sein sollte.«
    »Und wo sollte er sein?«
    »In der Druckerei«, erwiderte Jamie. »Aber er hätte auch heute morgen bei Wally sein sollen und war es nicht.«
    »Bei Wally? Du meinst, du wußtest, daß er nicht zu Hause war, als sein Vater heute morgen nach ihm suchte?«
    Er rieb sich die Nase und sah zugleich wütend und amüsiert aus. »Aber ja. Ich hatte dem jungen Ian allerdings versprochen, seinem Vater nichts zu sagen, bevor er Gelegenheit hat, ihm die Sache selber zu erklären. Nicht, daß er mit einer Erklärung seinen Arsch retten könnte«, fügte er hinzu.

    Der junge Ian war, wie sein Vater sagte, zu seinem Onkel nach Edinburgh gekommen, ohne sich die Mühe

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