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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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des Tages auf mich ein.
    Aber irgendwann - wie immer, wenn ich hier war - kamen meine Gedanken zur Ruhe. Ob es daran lag, daß hier, im Angesicht der Ewigkeit, die Zeit stehenblieb, oder daran, daß mich die Müdigkeit überwältigte, konnte ich nicht sagen. Doch meine Schuldgefühle Frank gegenüber und meine Trauer um Jamie ließen nach, und sogar das ständige Verantwortungsgefühl der Mutterschaft verebbte in der abgedunkelten Kirche zu einem Hintergrundgeräusch, nicht lauter als das regelmäßige und tröstliche Pochen meines Herzens.
    »Vater im Himmel«, flüsterte ich, »nimm dich der Seele deines Dieners Jamie an.« Und meiner, fügte ich stumm hinzu.
    Reglos saß ich da und starrte in den Kerzenschein vor dem Goldbogen der Monstranz, bis ich hinter mir den nächsten Gläubigen den Gang entlangkommen hörte. Die Dielen knarrten, als er vor
dem Altar die Knie beugte. Sie kamen zu jeder Stunde: Das heilige Sakrament blieb nie allein.
    Nach einigen Minuten verließ ich die Bank. Auf meinem Weg zur Tür sah ich im Schatten der Statue des heiligen Antonius eine Gestalt. Als ich näher kam, stand der Mann auf und trat auf mich zu.
    »Was machst du hier?« flüsterte ich.
    Frank wies mit dem Kopf auf den Gläubigen, der kniend betete, und nahm meinen Ellenbogen, um mich nach draußen zu führen.
    Ich wartete, bis die Kirchentür hinter uns ins Schloß gefallen war. Dann wirbelte ich herum und stellte ihn zur Rede.
    »Was soll das?« fragte ich wütend. »Warum bist du mir nachgefahren?«
    »Ich habe mir Sorgen gemacht. Es ist gefährlich, wenn eine Frau spät abends in dieser Gegend allein unterwegs ist. Ich wollte dich nach Hause bringen. Mehr nicht.«
    Er erwähnte weder die Hinchcliffes noch unsere Abendeinladung. Und so verebbte meine Wut etwas.
    »Aha! Was hast du mit Brianna gemacht?«
    »Ich habe die alte Mrs. Munsing von nebenan gebeten, nach ihr zu sehen, wenn sie sie schreien hört. Aber die Kleine hat fest geschlafen, also wird wohl nichts passieren. Komm jetzt, es ist kalt hier draußen.«
    Das war es wirklich. Die feuchte Meeresluft war zu Schneeflocken gefroren, die um die Bogenlampen tanzten. Ich zitterte in meiner dünnen Bluse.
    »Gut, dann sehen wir uns zu Hause«, sagte ich.
    Im Kinderzimmer umfing mich gemütliche Wärme. Brianna schlief noch, aber sie wurde allmählich unruhig. Ihr kleiner, rotbeflaumter Kopf drehte sich von einer Seite auf die andere, und sie schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
    »Sie hat schon wieder Hunger«, flüsterte ich Frank zu, der sich hinter mich gestellt hatte und voller Begeisterung auf das Baby blickte. »Ich stille sie besser noch mal, bevor ich zu Bett gehe. Dann schläft sie morgen früh länger.«
    »Ich mache dir was Heißes zu trinken«, erbot er sich und verschwand in Richtung Küche, als ich das weiche, warme Bündel hochnahm.

     
    Brianna war schon satt, nachdem sie eine Seite leer getrunken hatte. Schlaff sank ihr Kopf auf meinen Arm. Weder sanftes Schütteln noch Rufen konnte sie dazu bewegen, auch an der anderen Seite zu trinken. So gab ich es auf, legte sie in die Wiege zurück und rieb ihr den Rücken, bis sie ein zufriedenes Bäuerchen gemacht hatte. Dann hörte ich nur noch ihre ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge.
    »Diese Nacht haben wir wohl Ruhe, oder?« Frank zog die gelbe Häschendecke über Brianna.
    »Ja.« Ich ließ mich in den Schaukelstuhl sinken, da ich viel zu müde und erschöpft war, um wieder aufzustehen. Frank stellte sich hinter mich und legte mir die Hand auf die Schulter.
    »Ist er tot?« fragte er leise.
    Das habe ich dir doch schon gesagt, wollte ich auffahren. Aber dann beherrschte ich mich. Ich nickte stumm, schaukelte vor mich hin und betrachtete schweigend die Wiege und ihre Bewohnerin.
    Meine rechte Brust war so prall, daß sie schmerzte. Bevor ich sie nicht versorgt hatte, war an Schlafen nicht zu denken, mochte ich auch noch so müde sein. Mit einem bedauernden Seufzer griff ich nach der Milchpumpe, einem lächerlich aussehenden Gerät mit einem Gummiballon. Ihr Einsatz war weder schön anzusehen noch angenehm, doch lieber das, als nach einer Stunde vor Schmerzen und in einer Milchlache aufzuwachen.
    Ich gab Frank mit der Hand zu verstehen, daß ich ihn nichtmehr brauchte. »Geh schon vor! Es dauert nur ein paar Minuten, aber ich muß erst…«
    Doch er nahm mir die Milchpumpe ab und stellte sie auf den Tisch. Wie aus eigenem Antrieb legten sich seine Finger sanft auf die Rundung meiner geschwollenen

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