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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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sich an, als wäre ihm der Kragen zu eng. Dabei trug er das Hemd offen. Während Grey ihn gespannt betrachtete, verfärbte sich das Gesicht des Schotten dunkelrot.
    »Als Dank… wenn du magst… ich meine, ich wäre bereit… das heißt…«
    Grey unterdrückte ein Lachen. Sachte legte er seine Hand auf den Arm des kräftigen Schotten, und Jamie bemühte sich, nicht zurückzuzucken.
    »Mein lieber Jamie«, sagte er. »Bietest du mir tatsächlich deinen Körper an als Dank für mein Versprechen?«
    Frasers Gesicht war rot bis zum Haaransatz.
    »Aye«, schnappte er kurz. »Willst du ihn oder nicht?«
    Jetzt lachte Grey tatsächlich - lauthals.

    »O mein Gott«, stöhnte Grey, ließ sich am Ufer des Weihers nieder und wischte sich die Augen. »Daß mir tatsächlich ein solches Angebot gemacht wird!«
    Fraser stand über ihn gebeugt und blickte auf ihn herab. Das Morgenlicht zeichnete ihn als Silhouette und ließ sein Haar gegen den blaßblauen Himmel wie Feuer sprühen. Grey meinte, einen Zug um Frasers Mund zu erkennen, in dem sich Heiterkeit mit tiefer Erleichterung mischte.
    »Du willst mich also nicht?«
    Grey stand auf und strich sich über den Hosenboden. »Wahrscheinlich begehre ich dich bis ans Ende meiner Tage«, erklärte er sachlich. »Aber so sehr ich versucht bin…«
    Er schüttelte den Kopf und strich sich das nasse Gras von den Händen.
    »Glaubst du tatsächlich, ich würde dafür eine Bezahlung erwarten - oder fordern?« fragte er. »Ein solches Angebot würde mich zutiefst in meiner Ehre kränken, wenn ich nicht wüßte, welch starke Gefühle ihm zugrunde liegen.«
    »Nun gut«, murmelte Jamie. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
    Grey wußte einen Augenblick lang nicht, ob er weinen oder lachen sollte. Statt dessen streckte er eine Hand aus und berührte sanft Jamies Wange, die allmählich wieder ihre natürliche Farbe annahm. Leise sagte er: »Außerdem kannst du mir nicht geben, was du nicht hast.«
    Grey fühlte, wie sich der Körper vor ihm entspannte.
    »Ich biete dir meine Freundschaft an«, sagte Jamie. »Falls sie dir etwas wert ist.«
    »Ja, sehr viel.« Die beiden Männer standen eine Zeitlang schweigend nebeneinander, dann seufzte Grey und blickte zur Sonne. »Es ist schon spät. Sicherlich hast du heute noch eine Menge zu tun, oder?«
    Jamie räusperte sich. »Aye, das habe ich. Ich sollte mich wohl um meine Angelegenheiten kümmern.«
    »Ja.«
    Grey zog sein Gewand zurecht und wollte gerade aufbrechen. Aber Jamie zögerte noch einen Augenblick. Plötzlich trat er entschlossen vor, beugte sich hinunter und umschloß Greys Gesicht mit den Händen.

    Warm spürte Grey sie auf seiner Haut, leicht und kräftig wie die Schwingen eines Adlers. Jamies weiche, volle Lippen berührten seinen Mund. Ein flüchtiger Eindruck der Zärtlichkeit und Stärke, die sich dahinter verbargen. John Grey stand zwinkernd in der gleißenden Sonne.
    »Oh«, stieß er hervor.
    Jamie lächelte ihn scheu an.
    »Aye«, sagte er. »Ich glaube nicht, daß ich vergiftet bin.« Dann wandte er sich um und ließ Lord John Grey am Ufer des Weihers zurück.
     
    Der Gouverneur schwieg eine Weile. Dann blickte er traurig lächelnd auf.
    »Das war das erstemal, daß er mich aus freien Stücken berührt hat«, sagte er leise. »Und das letztemal - bis zum heutigen Abend, als ich ihm eine Kopie dieser Miniatur überreichte.«
    Ich saß vollkommen regungslos da. Was empfand ich eigentlich? Bestürzung, Zorn, Entsetzen, Eifersucht und Mitleid durchfuhren mich - ein Durcheinander von Gefühlen.
    Nicht weit von uns entfernt war vor wenigen Stunden eine Frau gewaltsam zu Tode gekommen. Doch im Vergleich zu dieser Miniatur - einem kleinen, unbedeutenden, in Rottönen gemalten Bild - wirkte die Szene in der Toilette geradezu unwirklich. Das Verbrechen, seine Vergeltung und alles andere hatte im Augenblick so gut wie kein Gewicht.
    Der Gouverneur blickte mich forschend an.
    »Natürlich hätte ich Sie auf dem Schiff erkennen müssen«, sagte er. »Aber ich hatte natürlich gedacht, sie seien bereits lange tot.«
    »Es war ja auch dunkel«, antwortete ich ziemlich blöde. Ich fuhr mir mit der Hand durch die Locken. Ich war recht benommen. Erst dann erfaßte ich den Sinn seiner Bemerkung.
    »Wieso hätten Sie mich erkennen müssen? Wir sind uns doch nie zuvor begegnet.«
    Er zögerte und nickte dann.
    »Doch. Erinnern Sie sich noch an einen dunken Wald in der Nähe von Carryarrick im schottischen Hochland, vor zwanzig Jahren? Und an

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