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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verpackte Käselaibe türmten. Er richtete sich auf, als plötzlich Licht in den Raum fiel.
    »Was ist mit ihm?« Ich kniete mich hin und befühlte seine Stirn. Er war warm, schwitzte leicht, hatte aber offensichtlich kein Fieber. Soweit ich es beurteilen konnte, schien er keine großen Schmerzen zu haben, denn während ich ihn untersuchte, blinzelte er nur verschlafen.
    »Er hat einen Wurm.«
    Verwundert sah ich zu Geillis auf. Nach dem, was ich bisher gehört und gesehen hatte, hielt ich es für gut möglich, daß mindestens drei Viertel der schwarzen Bevölkerung - und viele Weiße - an inneren Parasiten litten. So unangenehm sie auch waren, so stellten die meisten lediglich für ganz junge und ganz alte Menschen eine Gefahr dar.
    »Sicher mehr als einen«, erwiderte ich und begann behutsam seinen Magen abzutasten. Die Milz war weich und leicht vergrößert - was ebenfalls typisch war -, aber ich konnte im Unterleib nichts feststellen, was auf einen stärkeren Befall hingedeutet hätte. »Er scheint einigermaßen gesund zu sein. Warum liegt er hier im Dunkeln?«

    Als ob er meine Frage beantworten wollte, riß sich der Sklave mit einemmal von mir los, stieß einen durchdringenden Schrei aus und krümmte sich zusammen. Ruckartig bewegte er sich vor und zurück, bis er schließlich die Wand erreichte und immer wieder mit dem Kopf dagegen schlug. Dabei schrie er unablässig. Genauso plötzlich war der Anfall auch wieder vorbei, und der junge Mann sank schweratmend und schweißgebadet auf sein Lager zurück.
    »Du lieber Himmel«, sagte ich, »was war das denn?«
    »Ein loa-loa -Wurm«, erklärte Geillis, die meine Reaktion schmunzelnd beobachtet hatte. »Sie leben in den Augenhöhlen, direkt unter der Bindehaut. Sie wandern hin und her, von einem Auge zum anderen, und wenn sie dabei den Nasenrücken überqueren, ist das, so hat man mir berichtet, äußerst schmerzhaft.« Sie sah zu dem Sklaven hinüber, der noch immer zitternd auf seiner Pritsche lag.
    »Wenn es dunkel ist, rühren sie sich kaum«, fügte sie hinzu. »Man muß sie wohl fangen, wenn sie gerade in das eine Auge eindringen, denn dann sind sie dicht an der Oberfläche und man kann sie mit einer großen Nähnadel herausholen. Später bekommt man sie nicht mehr so leicht zu fassen.« Sie ging zurück in die Küche und verlangte nach Licht.
    »Hier, eine Nadel habe ich für alle Fälle schon mal dabei.« Sie kramte in dem Beutel an ihrer Taille und förderte ein Stück Filz zutage, in dem eine sieben Zentimeter lange Nadel steckte, die sie mir entgegenstreckte.
    »Ich glaube, du bist nicht ganz bei Trost!« Fassungslos starrte ich sie an.
    »Wieso, ich dachte, du verstehst dein Handwerk?« warf sie ganz vernünftig ein.
    »Ja, schon, aber…« Ich sah zu dem Sklaven hinüber, zögerte einen Moment lang und nahm dann der Dienstmagd die Kerze ab, die sie mir hinhielt.
    »Bring mir etwas Weinbrand und ein kleines, scharfes Messer«, sagte ich. »Tauche das Messer und die Nadel in den Weinbrand, halte die Spitze dann kurz ins Feuer. Laß sie abkühlen, aber faß sie nicht an.« Unterdessen unterzog ich ein Auge einer gründlichen Untersuchung, konnte jedoch nichts entdecken.
    Ich nahm mir das andere Auge vor - und hätte beinahe die Kerze
fallengelassen. Da war tatsächlich ein winziger, durchsichtiger Wurm, der sich unter der Bindehaut bewegte . Ich mußte würgen. Dann aber riß ich mich zusammen und griff nach dem frisch sterilisierten Messer.
    »Pack ihn an den Schultern«, sagte ich zu Geillis. »Er darf sich auf keinen Fall bewegen, sonst besteht die Gefahr, daß ich das Auge verletze und er blind wird.«
    Es war ein grauenhafter Eingriff, der sich jedoch überraschend einfach durchführen ließ. Ich machte einen raschen, kleinen Schnitt an der Innenseite der Bindehaut, hob sie mit der Nadelspitze ein wenig an, und als der Wurm träge auf die Öffnung zuschlängelte, stieß ich die Nadelspitze unter den Körper und zog ihn wie einen Faden heraus.
    Das Auge blutete nicht. Ich beschloß, es seinen Tränendrüsen zu überlassen, den Einschnitt zu spülen. Er mußte von alleine zuheilen, denn ich hatte kein feines Garn, und die Wunde war ohnehin so klein, daß in jedem Fall ein, zwei Stiche genügt hätten.
    Schließlich legte ich noch einen Verband rund um den Kopf an. Sichtlich zufrieden mit meinem ersten Ausflug in die Tropenmedizin, lehnte ich mich zurück.
    »Gut«, sagte ich und strich mir das Haar aus der Stirn, »der Nächste bitte!«
    Der zweite

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