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Ferne Ufer

Titel: Ferne Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fremden Weißen in ihre Domäne hervorgerufen worden sein - aber womöglich hatte es auch andere Gründe.
    Wenn ich noch länger in der Küche blieb, bestand die Gefahr, daß Geillis kam und nach mir sah. Hastig suchte ich in meinen Taschen, zog ein silbernes Zweischillingstück heraus und drückte es dem Mädchen in die Hand.
    »Wenn Sie Ian zufällig begegnen, sagen Sie ihm, daß sein Onkel da ist und ihn sucht.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte ich mich um und eilte aus der Küche.
    Während ich die Pergola durchquerte, sah ich zur Zuckermühle hinunter. Einsam und verlassen stand sie da; genüßlich grasten die Ochsen im hohen Gras am Rand der Lichtung. Keine Spur von
Jamie oder dem Aufseher. Waren sie vielleicht schon zum Haus zurückgekehrt?
    Ich betrat den Salon durch die Verandatür und blieb wie angewurzelt stehen. Geillis saß in einem Schaukelstuhl, Jamies Rock hing über ihrem Arm, und auf dem Schoß hatte sie die Fotos von Brianna ausgebreitet. Als sie mich hörte, sah sie auf und lächelte mich mokant an.
    »Ein hübsches Mädchen! Wie heißt sie?«
    »Brianna.« Meine Lippen kribbelten. Ich trat auf Geillis zu, während ich mit aller Kraft gegen den Drang ankämpfte, ihr die Bilder aus der Hand zu reißen und fortzulaufen.
    »Sie sieht ihrem Vater ähnlich, nicht wahr? Schon damals auf dem Craigh na Dun kam sie mir bekannt vor. Er ist doch ihr Vater, oder nicht?« Sie wies mit dem Kopf auf die Tür, durch die Jamie verschwunden war.
    »Ja. Gib mir die Fotos.« Jetzt, da sie die Bilder kannte, war es zwar egal, doch ich konnte nicht mit ansehen, wie ihre dicken, weißen Finger Briannas Gesicht betatschten.
    Ihre Mundwinkel zuckten, als wollte sie widersprechen, aber dann schob sie die Fotos zu einem ordentlichen Stapel zusammen und reichte sie mir ohne Proteste. Ich drückte sie kurz an die Brust, und weil ich nicht wußte, wo ich sie aufbewahren sollte, schob ich sie schließlich in meine Rocktasche.
    »Setz dich doch, Claire. Der Kaffee ist bereits serviert.« Sie wies auf ein kleines Tischchen, vor dem ein Sessel stand. Als ich darauf zuging, ließ sie mich keinen Moment aus ihren berechnend funkelnden Augen.
    Mit einer Geste bat sie mich, uns beiden einzuschenken, und nahm ihre Tasse entgegen. Ohne ein Wort tranken wir. Ich konnte kaum meine Tasse halten, so sehr zitterte ich, und prompt goß ich mir ein wenig heißen Kaffee über den Arm. Während ich ihn mir am Rock abwischte, fragte ich mich, warum ich überhaupt Angst hatte.
    »Zweimal«, sagte Geillis plötzlich mit einem Blick, der fast schon Bewunderung ausdrückte. »Gütiger Gott, zweimal hast du es geschafft. Nein, dreimal, denn jetzt bist du ja wieder hier.« Staunend schüttelte sie den Kopf, ohne die leuchtendgrünen Augen von mir zu lassen.

    »Wie?« fragte sie dann. »Wie hast du das überlebt?«
    »Das weiß ich nicht.« Als ich ihren mißtrauischen Blick sah, fügte ich abwehrend hinzu: »Das weiß ich wirklich nicht. Ich bin einfach durchgegangen.«
    »Aber war der Übergang für dich nicht auch schrecklich?« Aufmerksam hatte sie die Augen zusammengekniffen. »Hast du nicht auch dieses Entsetzen verspürt? Und dieses Dröhnen gehört, bei dem man denkt, es würde einem den Schädel spalten?«
    »Doch, natürlich.« Ich wollte nicht darüber sprechen, nicht an jene Sekunden denken müssen, in denen ich die Zeitschranke überwunden hatte. Ich hatte die Erinnerung an das Donnern und Dröhnen, an das Gefühl, sich selbst aufzulösen, an die lockenden Rufe des Chaos ganz bewußt verdrängt.
    »Hast du dich mit Blut geschützt oder mit Kristallen? Eigentlich traue ich dir Blut nicht zu, aber ich kann mich ja auch täuschen. Denn offensichtlich bist du stärker, als ich dachte, wenn du es dreimal geschafft hast, ohne daß es dich das Leben gekostet hat.«
    »Blut?« Verwirrt schüttelte ich den Kopf. »Nein nichts. Ich habe dir doch gesagt, ich bin einfach durchgegangen, mehr nicht.« Aber dann fiel mir die Nacht im Jahr 1968 ein, als Geillis durch die Steine gegangen war, und ich dachte an das Feuer auf dem Craigh na Dun und die zusammengekrümmte, verkohlte Gestalt in der Glut. »Greg Edgars«, sagte ich. Der Name ihres ersten Mannes.
    »Aye, er war mein Blutsopfer.« Aufmerksam musterte sie mich. »Ich hätte nicht gedacht, daß man es auch ohne Blut schaffen kann.« Sie klang ehrlich erstaunt. »Die Menschen der Vergangenheit haben immer Blut benutzt. Blut und Feuer. Sie haben große Weidenkäfige gebaut, ihre Gefangenen

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