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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Boden. Jetzt schien ihr Körper nur noch von züngelnden Schatten bedeckt zu sein. Ich betrachtete sie betört, und sie lachte über mein Staunen. Dann legte sie ihre Hände auf die Spitzenarabesken ihres Büstenhalters und flüsterte mit der Grimasse einer Betrunkenen: »Worauf wartest du noch?«, und zog mich zu Boden.
    Das Stöhnen, das ich ein paar Minuten später hörte, war zu rau, als dass es aus ihrem Mund hätte kommen können. Mit einem Ruck hob ich den Kopf und hatte die weit aufgerissenen Augen meines Vetters vor mir. Aber sie waren glasig, leblos. Jennifer zog mich am Nacken wieder zu sich herab und presste mein Gesicht zwischen ihre Brüste. Dann sagte sie: »Fick mich«, und sie sagte es auf Italienisch.
    Als ich die Tür hinter mir zuzog, dachte ich über ihre Aufforderung nach: Fotti . Ab sofort würde das mein Motto sein, der Imperativ
meines neuen Lebens. Der Spiegel im Aufzug warf mein Lächeln zurück.
    Ich lächelte auch am Morgen danach, als ich zum Frühstück nach unten ging. Doch an unserem Tisch traf ich niemanden an. Herr Di Lontrone und Frau Gemahlin, teilte mir der Maître mit, ließen sich entschuldigen, aber sie hätten früher als vorgesehen abreisen müssen. Ich blickte nach draußen auf die Wolken, die der Wind über das Meer wälzte, und konnte es nicht fassen, dass mein amerikanischer Traum so schnell ausgeträumt war.

23
    Im Laufe der Zeit hatte Alba Chiara ihren Babyspeck verloren, obwohl sie immer noch ihre siebzig Kilo wog. Sie hatte auch keinen Schnurrbart mehr, und ich vermutete, dass sie sich rasierte, denn wenn sie mich küsste, kratzte es an meinen Lippen. Trotz alledem würde ich sie heiraten, was blieb mir schon übrig? Bis jetzt war ich mir immer anders vorgekommen, einzigartig, als jemand mit einer besonderen Zukunft. Ein paar Jahre noch, und ich würde nach Amerika gehen, zu meinen fernen Verwandten, und mein Leben im Dorf würde nur noch eine Erinnerung sein. Jetzt aber waren meine großen Hoffnungen endgültig geplatzt, und wenn ich jemandem deswegen böse sein musste, dann nur mir selbst. Die Großmutter hatte es an jenem fernen Maientag klar gesehen, als sie in meinen Augen - den lusterfüllten Augen ihres einzigen männlichen Enkelkindes, das sich an die üppigen Titten eines ihrer zwanzig weiblichen Enkelkinder schmiegte - den Keim meines Ruins erkannt hatte, aber die Mittel, mit denen sie ihn hatte abwenden wollen, hatten nichts gefruchtet, denn das Schicksal des Menschen liegt - wie es die besten Kenner der menschlichen Seele von Homer bis Walt Disney verkündet haben - in seinem Charakter.
    Meine Verlobung mit Alba Chiara war inzwischen amtlich geworden, mein künftiger Schwiegervater hatte das Geld für die neuen Maschinen herausgerückt, und Nonnilde war glücklich. Ich verbrachte meine Tage und oft auch die Nächte an ihrer Seite. Sie erklärte mir die Arbeit und verlangte, dass immer alles sofort erledigt wurde. Die Firma Premiata Olii Superfini durchlebte einen
magischen Augenblick, und es war keine Zeit zu verlieren. Onkel Teodorino hatte sich inzwischen seinen Ruhestand mit der Alzheimer-Krankheit erkauft, und umgeben von den neuen, gigantischen Ölpressen der Officine Bux, vom Höllenlärm der Granitmühlsteine und vom widerlich süßen, Übelkeit erregenden Geruch der ausgepressten Oliven, den keine Seife zu tilgen vermag, befasste ich mich innerhalb von sechs Monaten praktisch mit allem: Herstellung, Abfüllung und Versand. Außerdem musste ich mich um Alba Chiara kümmern. Sobald es ihr möglich gewesen war, hatte sie mir den sogenannten Liebesbeweis gegönnt - obwohl sie seit ihrer Kindheit hinter mir her war, hatte sie in der Zwischenzeit bereits viele andere damit beglückt. Sie schneite immer häufiger ins Dorf herein, alle vierzehn Tage mittlerweile, und ihr gegenüber konnte ich nicht einmal die Arbeitsüberlastung vorschützen, denn die Großmutter ließ mir in diesem Zusammenhang »freie Hand«. Sie legte Wert darauf, dass die Tochter ihres wichtigsten Investors keinen Grund zur Unzufriedenheit hatte, und als das Trampeltier endgültig aus dem Florentiner Internat zurückkehrte, ging ich bereits auf dem Zahnfleisch.
    Es waren finstere Jahre, nicht nur für mich, sondern für die ganze Nation, die von der steigenden Flut des Terrorismus erfasst wurde - nicht die ganze Nation, um die Wahrheit zu sagen: In unseren kleinen, zwischen den Bergen gelegenen Winkel drang über die Berichte des Telegiornale nur ein fernes Echo davon, und das Leben

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