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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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es kam direkt von den Philippinen, und ich hatte Handwerker aus dem Orient. Trotzdem wieder nichts, das Geschäft kam nicht in die Gänge. Dann überlegte ich mir etwas anderes: Die Yankees nannten uns verächtlich Dagos, aber ihre Frauen hatten seit Rodolfo Valentino eine Schwäche für den sogenannten Latin lover : So ein Graus! Ich bin nie ein Adonis gewesen, aber im Smoking sah ich ganz anders aus. Ich lieh mir also einen und begann mit dem Geld, das mir geblieben war, das Leben eines Lackaffen zu führen. Zur damaligen Zeit ging man ins Waldorf: Dort war der Treffpunkt der High Society, dort fanden die exklusivsten Feste statt. Ich bestach einen Portier, damit er mich bei Bedarf hineinließ, und gab vor, ein toskanischer Adliger auf Urlaub zu sein: Ich war elegant, sprach die Sprache perfekt und kannte einen Haufen wichtiger Leute, wichtiger Frauen. Zwischen Diners, Reisen und Süßholzraspelei hatte ich mich schon fast aufgerieben, als ich endlich meiner Kathryn begegnete.«
    Ich sehe die unsichere Schrift meiner Mutter über dem Foto von Tante Kathryn im Familienalbum vor mir, während er mit einem Anflug von Melancholie seufzt. »Kathryn Hudds, die Tochter von Robert, dem Glasindustriellen. Drei Monate später haben wir geheiratet, und nach weiteren sieben war ich dank der Unterstützung meines Schwiegervaters der Knopfkönig geworden. Das war natürlich nur das Sprungbrett. Denk an die Pleite, die es bedeutet hätte, wenn ich nach Einführung des Reißverschlusses nicht auch der Reißverschlusskönig geworden wäre! Seither bin ich Herrscher in vielen Reichen gewesen. Am wichtigsten ist es zu merken, wann der Moment gekommen ist, in dem jeweiligen Reich eine Verfassung zuzulassen«, sagte er lachend. Dann setzte er hinzu: »Und so ist es gelaufen … Ja, es ist wirklich gelaufen«, und stieß einen tiefen
Seufzer aus. Ich hätte geglaubt, dass er sich in diesem Moment total entspannen würde. Stattdessen schaute er auf die Uhr und wurde mit einem Schlag ernst. »Wir müssen zurück an die Arbeit«, sagte er. »Und sei unbesorgt: Ich werde dir gründlich beibringen, wie man arbeitet.«

27
    Von jenem Tag an ließ er mir keinen freien Augenblick mehr. Jeden Morgen wollte er mich um Punkt neun in seinem Büro haben. Dort verbrachte ich die Stunden und hörte über die Lautsprechanlage - einem weiteren Wunderwerk der US-amerikanischen Technik - seinen Telefonaten zu, die meistens in wütenden Streitereien endeten. Sobald er, obwohl er dem jeweiligen Unglücksmenschen Bedingungen abgerungen hatte, die man nur vorteilhaft nennen konnte, brüllend die Verbindung unterbrochen hatte, versuchte er unweigerlich, mir mit einem zufriedenen Grinsen das letzte Ziel seiner komplizierten Manöver zu erklären, während ich, ebenso unweigerlich, nichts kapierte. Betriebe zu kaufen und zu verkaufen war seine wahre Leidenschaft, und nach der Glanzleistung mit den Schlagstöcken aus Minnesota hatte ich mich der Illusion hingegeben, dass es auch die meine werden könnte. Schon nach wenigen weiteren Sitzungen war mir aber völlig klar, dass dieser erste Erfolg nur ein Glücksfall gewesen war. Was konnte ich schon wissen über steigende und fallende Prozentsätze, über ausgeglichene und unausgeglichene Wachstumsraten, darüber, ob man für Wattestäbchen lieber Baumwolle oder doch besser Kunstfasern verwendete oder ob der brasilianische Gummi sich als strapazierfähiger erweisen würde als der aus Ostindien? Deshalb hielt ich mich abseits. Ich dachte an den wunderbaren Roman, den ich bald schreiben würde - das war mein Weg, dessen war ich mir immer sicherer -, und beschränkte mich darauf, die Entscheidungen des Alten, die nach dem üblichen Krach am Ende
getroffen wurden, mechanisch abzunicken. Das Einzige, in dem ich mich in meiner Eigenschaft als Magnatenlehrling auszeichnete, war das Golfspiel - mit Onkel Richard besuchte ich mindestens zweimal die Woche einen Klub für Milliardäre -, aber auch dort wurde von nichts anderem geredet als von Geschäften. So konnte ich es kaum erwarten - obwohl es immer später wurde -, dass ich mich in mein Apartment in der Upper East Side verkrümeln konnte. Ausgehen? Mit wem denn? Alle meine Kollegen behandelten mich mit Argwohn, weil ich der Neffe des Chefs war, also war gar nicht daran zu denken. Ich machte mich vielmehr ans Schreiben. Ich musste nur aufs Blatt übertragen, was mir widerfuhr, freilich mit den angezeigten Verschleierungen: Die Sache mit Jennifer zum Beispiel, würde ich die

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