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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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zufriedener als ich schien Onkel Richard zu sein: Endlich war er mit seinen beiden Lieblingen allein und schien keinerlei Absichten zu hegen, sich irgendwann auf die Socken zu machen. Er hatte vielmehr angefangen, uns mit seinen Lebensweisheiten zu beglücken und von den schwierigen Anfängen zu erzählen, dann aber auch von den Geniestreichen, die seine Karriere als Magnat gekrönt hatten - und immer noch krönten -, und er hätte die ganze Nacht so weitergemacht, wenn er nicht plötzlich einen Anruf bekommen hätte.
    »Es scheint ein Problem zu geben, zumindest behauptet das Randolph. Vielleicht handelt es sich aber auch nur um falschen Alarm, dieser Mann ist eine Katastrophe … Wenn ich es schaffe, geselle ich mich später wieder zu euch, meine Lieben«, versprach er, aber in unseren Ohren klang es eher wie eine Drohung.
    Kaum war er draußen, seufzte Charles: »Mir ist unbegreiflich, wie du es mit ihm aushältst.« Mittlerweile hatte ich aufgehört, mich selbst das zu fragen. Charles öffnete den Hemdkragen, trat an den Eiskübel heran und zog eine tropfende Flasche heraus - Cristal’68, offensichtlich.
    »Nein, Charles … Ich bitte dich!«, flehte ich ihn an.

    »Sei ganz ruhig. Seit mein Sohn geboren ist, habe ich mit dem Trinken aufgehört, aber heute Abend muss man sich einfach ein Tröpfchen gönnen … zur Feier des Tages«, sagte er und schwärmte dann mit vor Rührung glänzenden Augen von den Freuden des Vaterseins - Windelnwechseln inbegriffen. »Jedenfalls wirst auch du bald begreifen, was das bedeutet: Cybill kann es kaum erwarten, ein Kind zu bekommen …«, kicherte er und klopfte mir auf die Schulter.
    Das war der Gnadenstoß. Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte, und während ich darüber nachdachte, blieb mir die Luft weg. Mit dem typisch männlichen Verhalten hatte das nichts zu tun: Ein Kind wollte früher oder später auch ich, klar. Aber nicht jetzt … Ich wollte weg, flüchten, jetzt sofort, und zwar so sehr, dass ich ihn, sobald er mich wieder mit den Wonnen drangsalierte, die ihm das Baby beim abendlichen Baden bereitete oder wenn es ihn im Morgengrauen, wenn nicht gar mitten in der Nacht weckte - »Er scheint ein Vögelchen zu sein!«, O Gott, wie sentimental! -, nicht daran hinderte, sich das zweite, dritte und sogar vierte Glas einzuschenken. Als echte Kanaille fragte ich mich vielmehr, wie lange er dieses Mal wohl durchhalten würde.
    »Ja«, stellte er fest, während er einen letzten Schluck nahm, »dieses Kindchen hat wirklich mein ganzes Leben verändert.«
    Diesen Eindruck hatte ich nicht unbedingt, als ich ihn jetzt auf dem Sessel zusammensacken sah, mit verdrehten Augen und der üblichen Leichenblässe im Gesicht, und ich wollte mich gerade davonschleichen, als ich Jennifer vor mir sah. Sie warf einen Blick auf ihren leblosen Gemahl und lächelte, ohne mich anzusehen, ihr berühmtes Lächeln.
    »Jenny, ich gehe«, sagte ich sofort.
    » Was , ich werde noch nicht einmal umarmt? Das machen doch alle Italiener.«
    In diesem Augenblick hörte ich eine Stimme in meinem Inneren - die Stimme des Gewissens zweifellos: ›Aufgepasst, du bist in Gefahr, Carlino!‹, aber durch das Fenster wehte ein leichtes Lüftchen
den Duft des Sommers herein, denselben wie zu der Zeit, wenn früher die Ferien begonnen hatten, und plötzlich erschien mir mein Leben wieder voller Verheißungen, und konnte es eine verlockendere Verheißung geben als jene, welche ich in Jennifers Blick las? Die Verheißung einer Leidenschaft, die auf die zügelloseste, vollkommenste und geheimnisvollste Art und Weise zu genießen war. Deshalb sagte ich mir, dass ich mir diesen letzten Urlaub gönnen dürfe. Danach würde ich der perfekte Ehemann für mein perfektes italienisches Frauchen sein, ja, ich würde sogar ein ebenso rührseliger Vater werden wie Charles, aber später … später.
    Alles ereignete sich im Verlauf weniger Minuten. Zwei Sekunden, und ich küsste sie. Zehn Sekunden, und wir lagen zu Füßen des Sofas. Weitere zwanzig, und eine warme, wässrige Flüssigkeit spritzte mir in den Mund - drei Sekunden zuvor, so in etwa, hatte ich angefangen, an ihrer Brust zu saugen, die runzelige, kalte Brustwarze, lang wie ein Nagel. »Milch«, hatte sie gemurmelt und den Mund verzogen. Ein paar weitere Sekunden verbrachte ich in der Ungewissheit, ob das, was ich empfand, Ekel oder Erregung war, aber ich war mir meiner Entscheidung dermaßen sicher, dass sich Jenny, vollkommen außer sich, die Brüste auspresste,

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