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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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Umgebung zum Trotz - versammeln sich verfeindete Brüder vor dem Grab ihrer Mutter, um sich dort endlich in die Arme zu fallen. Liebesgeschichten nehmen ihren Ausgang. Rein zufällig - an jenem Tag streikten die Busfahrer - war ich auch Zeuge der rührenden Begegnung von Sinforosa und ihrem zartfühlenden Seelenverwandten.
    Kurzum, ich war sechzehn und bemerkte mit Schrecken, dass ich Medoro Sarchione immer ähnlicher wurde. In der Kirche hatte ich seinen Platz als Organist eingenommen; wie er hatte ich mich - aufgrund des vielen Lesens oder der vielen Wichserei - mit einer schwarzen Zelluloidbrille ausstatten müssen, dem einzigen Modell, das die Krankenkasse übernahm; wie er hatte ich eine Reihe Marotten entwickelt und stattete außer dem Friedhof auch der Behausung meines »mir innewohnenden« Ahnen Onkel Arcangelo weiterhin Besuche ab. Vor allem aber war ich ein Einzelgänger, ein wirklichkeitsfremder Mensch, dessen Schicksal es war, so zu bleiben - dies war es, was mir in Anbetracht von Medoros traurigem Ende am meisten Angst machte -, auch wenn ich für die anderen glücklicherweise immer die arme Vollwaise blieb. Besonders für die Frauen. Seit einiger Zeit stellte ich sogar fest, dass die Umarmungen, die mir jedes Mal zuteil wurden, wenn eine meiner Cousinen verschwand oder einer meiner Onkel oder Tanten beerdigt wurde, immer länger, schmachtender und stürmischer ausfielen - tatsächlich war das vor allem bei den Begräbnissen der Fall.
    Gegen Ende eines jeden dieser traurigen Rituale stellten wir uns, dem süditalienischen Brauch folgend, um den Sarg des Verstorbenen herum auf - das heißt, wir standen, und die Großmutter saß auf ihrem kleinen, eigens dafür vorgesehenen Thron -, um von den Bekannten, und von den erbitterten Feinden mal abgesehen, war das praktisch das ganze Dorf, weitere Beileidsbezeugungen
entgegenzunehmen. Ich, der Jüngste der Familie, bildete immer das Schlusslicht der Schlange, die Monat für Monat bedrohlich schrumpfte. Von dieser Position aus konnte ich die Mienen jedes einzelnen Teilnehmers des langen, gewundenen Trauerzugs studieren - eine ganze Galerie psychologischer Typen: Der Formalist ging schnellen Schrittes und präsentierte sich dank der Beherrschung sämtlicher Tricks, die Menge zu umgehen, als einer der Ersten, mit steifer, prothesenartig ausgestreckter Hand für einen raschen Händedruck, den Blick, während er die rituelle Minimalformel - »Beileid« - skandiert, bereits auf den nächsten Hinterbliebenen gerichtet. Den Kopf geneigt, den Blick gesenkt, die leise Stimme vom Getrampel seiner Sohlen übertönt, scheint der Schüchterne Trost weniger zu spenden als zu suchen. Der lässige Gang, die jovialen Klapse und Knuffe und die Schlagfertigkeit sind typisch für den Unbefangenen: Für ihn ist eine Beerdigung eine Gelegenheit wie jede andere, um im öffentlichen Raum ein bisschen zu plaudern. Der Deplatzierte wiederum ist wie der Vorhergehende, nur weniger reserviert, denn er hat erkannt, dass man zum frisch verwitweten Freund sagen kann: »Morgen komme ich das Öl abholen … bei hundert Litern könntest du mir schon einen Rabatt einräumen, Beileid«, oder, noch niederträchtiger, zur Witwe des Freundes: »Er hat dir doch gesagt, dass er mir den Lieferwagen schenken will? Vergiss das nicht, Beileid.« Nebst den Armen im Geiste mit ihrer üblichen einfältigen Miene ist er am gefährlichsten: Wie oft musste ich mich zurückhalten, um solchen Typen nicht lauthals ins Gesicht zu lachen! Und dann die unvermeidlichen Gefühlsduseler, die weinen, umarmen, küssen müssen und sich zwanghaft an diese oder jene Episode aus dem Leben des Verstorbenen erinnern und unbedingt etwas über ihren unstillbaren Schmerz dahersabbeln müssen: Hinter ihnen schwillt das Rinnsal der Prozession an und staut sich vor dem Hindernis; vorn dagegen schwellen Brüste, denn die Gefühlsduseligen vom Dienst sind bis auf ein paar jämmerliche Ausnahmen immer Frauen.

    In der Masse der kleinen, krummen, schnurrbärtigen und zahnlosen Matriarchen fehlte nun nie die eine oder andere wilde Blume von üppiger, durch die Trauer noch betonter Schönheit, wie zum Beispiel Ogiva, mit bürgerlichem Namen Assunta Gigante, die Frau des Schmieds, dann Circe, eigentlich Elvira Rende, die Hebamme, oder Torrediluna, die Witwe des Milchhändlers, die, wie ihr Kosename suggeriert, tatsächlich so imposant und geheimnisvoll war wie ein Turm im Mondschein. Und während ich auf ihre verwirrenden Südländerinnenbusen

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