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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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diese beiden - ausgerechnet mit Sebastiano zusammentun. Sebastiano, genannt der Schweizer, aber auch Swiss, Emmental, Edelweiß oder Toblerone, weil seine Eltern bei Toblerone arbeiten, vor allem aber, weil er wie
ein Schweizer denkt - vielmehr so, wie wir uns vorstellen, dass ein Schweizer denkt. Er hat einen Hass auf die Langhaarigen, die Kommunisten, die Schwarzen und die Armen generell, weil man in der Schweiz, wie er ständig wiederholt - ich höre es jeden Morgen im Bus -, keine Kommunisten, Langhaarigen, Schwarzen und Armen duldet. Und er, der eine Ausbildung zum Buchhalter macht und es gar nicht erwarten kann, ebenfalls dorthin überzusiedeln, hält diese Urteile hoch. Auch äußerlich setzt er alles daran, wie ein Schweizer auszusehen. Er hat zum Beispiel einen Bürstenschnitt, benutzt ein aufhellendes Shampoo und trägt Sakko und Schlips. Nur schade, dass er klein und untersetzt ist, sein Bart wie wild wächst - trotz der Stunden, die er mit Rasieren verbringt - und seine Augen von zusammengewachsenen Brauen überschattet werden. Er hat noch nicht entdeckt, was sich mit einer einfachen Pinzette alles bewerkstelligen lässt, oder vielleicht glaubt er auch, das sei nur etwas für Homos - und die werden, wie es scheint, im Land seiner Träume ebenfalls mies behandelt.
    Obwohl ich ein realistisches Bild von den dreien habe, sind sie immer noch besser, als allein zu sein, also steige ich ein und ziehe die Autotür hinter mir zu.
    »Gib ihm was zu rauchen, Schweizer«, befiehlt Apache.
    Der grinst: »Aber das sind Hurenzigaretten« - das ist so eine Redensart bei uns, deren Ursprung mir der Professor auch einmal erklärt hat, aber das zu wiederholen, würde hier zu weit führen. Trotzdem streckt er mir das Päckchen Ernte 23 hin und knurrt: »Die müsst ihr aber selbst bezahlen … ihr Genossen.«
    »Jetzt hör schon auf! Was für ein Scheißkapitalist bist du eigentlich, wenn du selbst deine Zigaretten abzählst?«, sagt Apache und reicht mir das Feuerzeug, das den gleichen Namen trägt wie das Fahrzeug. »Ich bin froh, dass du uns nicht böse bist. Du musst Rino verstehen, er ist halt so.«
    »Ein Stück Scheiße ist er«, gibt der Schweizer zurück.
    »Entweder hörst du jetzt auf damit, oder du steigst aus.«
    »Wenn dem so ist, gehe ich lieber gleich.«

    Sie packen ihn am Kragen und lachen: »Hiergeblieben, du Scheißplutokrat!«
    »Wo steckt Rino eigentlich?«, frage ich, nur um irgendetwas zu sagen. »Ich habe ihn schon seit Längerem nicht mehr gesehen.«
    »In Turin, bei seinem Bruder. Auf Arbeitssuche.«
    »Er hat die Schule geschmissen?«, frage ich ungläubig.
    »So’n Gammler! Wenn schon, dann wenigstens ab in die Schweiz, wo sie einen anständig bezahlen!«, motzt der Plutokrat.
    »Richtig«, sagt Apache, »aber man hat noch nie gehört, dass in der Schweiz die Arbeiter streiken.«
    »Warum sollten sie auch? Dort machst du deine Arbeit, und sie geben dir, was dir zusteht. In der Schweiz sind alle reich. Das ist nicht so ein Land von Hungerleidern wie Italien.«
    »Aber Rino mag’s nun mal, wenn’s Rabatz gibt. Der spinnt«, folgert Apache, und selbst Tarcisio kichert jetzt zustimmend. Dass sie das auch so sehen, ist immerhin etwas Verbindendes. Ich lehne mich zurück und frage, was für eine Musik wir da gerade hören.
    »Led Zeppelin, Toblerones Lieblingsband.«
    »Blödsinn! Von denen hab ich noch nie was gehört!«, schießt er stolz los. Und weil wir lachen, fährt er fort: »Ja, ihr könnt ruhig lachen, weil ich kein so’n Scheiß-Ippie bin wie ihr, ich denke nur logisch. Ich muss mir eine Zukunft aufbauen, weil ich nicht als Bettler enden will. Mit vierzig habe ich schon so viel Geld, dass ich alles hinschmeiße und ein Leben führe wie ein großer Herr. Nur die Blödmänner, die das ganze Leben lang malochen … und du und der Krutschoff da«, sagt er in Richtung Apache und Tarcisio, ohne mich überhaupt in Betracht zu ziehen, »ihr müsst mir die Schuhe polieren, wenn ihr auf Knien in die Schweiz gekrochen kommt, um mich um ein paar Kröten anzuhauen. Hört euch nur die Leddezzeplì an, sage ich dann zu euch. Falls man euch überhaupt in dieses zivile Land reinlässt, euch Gammelvolk. Wenn sie mich nach meiner Meinung fragen, dann sag ich sie ihnen, ja, verdammt, und ob ich das tu!«

    Wir spotten weiter, während wir uns den Quatsch anhören, den der Schweizer verzapft, und seine Zigaretten rauchen. Hin und wieder kommt einer aus der Bar herausgetorkelt. Die Nacht legt ihre feuchte

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