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Ferne Verwandte

Ferne Verwandte

Titel: Ferne Verwandte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaetano Cappelli
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hässlichen und der schönen - von Pina Restucci, Amalia Fondi, Rosanna Terso, den unvergleichlichen Campochiaro-Schwestern und sogar der stolzen Renata Trevisan: Schweigend hörten wir ihnen zu, wenn sie sich lautstark den Kopf darüber zerbrachen, wie sie ihre Eltern überreden sollten, sie zu diesem fabelhaften Fest zu lassen. Sie dachten sich die phantasievollsten Tricks aus, um so lange wie möglich dort bleiben zu dürfen, sie debattierten darüber, ob sie dieses oder jenes Kleid anziehen
sollten, und waren aufgeregt wie junge Aristokratinnen am Vorabend ihres Debütantinnenballs.
    Auch wir unterhielten uns darüber, aber erst in der Nacht, auf der Heimfahrt von Faustos Wohnung, nachdem jeder von uns geduldig haargenau demselben Gerede unserer neuen Freundinnen gelauscht hatte - das Klima allgemeiner Verzückung sparte wirklich niemanden aus. Lange, endlose und erbitterte Diskussionen waren das: Konnten wir, ausgerechnet wir, die wir den authentischen Rock kannten, wie irgendwelche kleinen Provinzler am Angelhaken der verpöntesten kommerziellen Musik enden? Die Njù Droll fanden wir echt zum Kotzen - bis auf den Schweizer, versteht sich. Als Mara uns dann einmal, vollkommen hingerissen, Concerto grosso mitbrachte, und wir uns die Platte anhörten - Streichorchester mit einem Kontrapunkt aus Flöte, elektrischer Gitarre und Schlagzeug, bei dem sich einem die Nackenhaare sträubten - na ja, da fanden wir sie zwar immer noch beschissen, aber irgendwie interessant beschissen, will sagen, das Album hatte einen unerklärlichen Reiz. Und ein Geheimnis. Keiner von uns hätte das je zugegeben: Es waren andere Sachen, die uns gefallen mussten . Außerdem war auf dem Cover das Foto von Pierre Clementi, einem Schauspieler, der gleich nach dem Film, für den Concerto grosso den Soundtrack lieferte, wegen Drogen verhaftet worden war, sich aber trotzdem nicht in einen Mythos verwandelt hatte. Und während ich dieses Foto studiere, ertönt Maras Befehl: »Nimm die Brille ab!«
    Kurz zuvor hatte ich aus dem alten schwarzen Kunststoffmodell der Krankenkasse die Gläser herausgenommen und sie in eine ovale silberne Fassung eingesetzt, die ich im Keller gefunden hatte und die identisch ist mit der von Robert Fripp, wobei ich aber alle mit Nachsicht behandle, die sie für die von John Lennon halten. Meine Haare reichen mir inzwischen bis auf die Schultern, und das mit vollem Einverständnis der Großmutter, weil sie auf diese Weise nicht nur das Geld für den Friseur spart, sondern, wie sie mir wehmütig mitteilt, auch »Arcangelo sie so getragen hat, bevor er sich
zu den Legionären meldete«. Mara mustert mich prüfend, blickt auf das Foto und sagt: »Du bist Clementi ja wie aus dem Gesicht geschnitten!«
    Klar, als ich sie das sagen höre und unter ihrem bewundernden Blick dahinschmelze, denke ich natürlich, wer weiß, ob sie nicht in Verbindung mit der Musik ihrer Idole Lust hat, diese Ähnlichkeit näher zu untersuchen - und nun will ich unbedingt bei den New Trolls dabei sein. Die anderen übrigens auch: Was könnten sie schon Wichtigeres zu tun haben, speziell an diesem Abend und in dieser Gegend, in der es nie irgendetwas zu tun gab? Und obwohl die ästhetisch-ideologische Polemik nun abgehakt ist, diskutieren wir immer noch: Der Preis für den Eintritt übersteigt unsere finanziellen Möglichkeiten. Ein Glück, dass es den Schweizer gibt! Er hatte sofort seine Begeisterung für den Auftritt bekundet, aber schüchtern, wie er ist, hätte er niemals den Mut gehabt, allein dorthin zu gehen. Deshalb erbot er sich, die Hälfte des Eintrittspreises für uns zu übernehmen.
    Dann war der ersehnte Abend endlich da. Wir mussten das Auto vor dem bereits überfüllten Parkplatz abstellen, und als es uns nach langem Schlangestehen gelang, den Saal zu betreten, war dieser bereits gerammelt voll. Auf den ersten Blick war klar, dass keines der Mädchen den Monat seit der Ankündigung ungenutzt hatte verstreichen lassen - man stellte eine gewisse Eleganz zur Schau. Selbst die Hässlichen kamen uns, sei es wegen des allgemeinen Hochgefühls, sei es wegen des Schummerlichts, ganz passabel vor, und die Hübschen waren sogar bildhübsch: Mara, Tiziana und die anderen, die rauchend an den wenigen Tischen saßen und in ihren Glitzerkleidern viel nacktes Bein zeigten. Oder jene, die in den Gruppen der normalen Jungs standen, bei denen sie sich untergehakt hatten. Oder auch die busfahrenden Vamps mit ihren stark geschminkten Augen und Lippen -

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