Fernsehkoeche kuesst man nicht
bioresorbierbare Kunststoffklammern?, überlegte ich. Was würde wohl mehr wehtun?
»Beim Kaffee können wir auch gleich einmal Ihre Dosierung bei der Präkurarisierung unter die Lupe nehmen. Ich bin der Meinung, Sie ...«
Ob es auch Klammern mit Widerhaken gab? Wenn nicht, dann wäre es höchste Zeit, sie zu entwickeln. Da tat sich eine Marktlücke auf, die ich unbedingt mit Claude besprechen sollte. In Gedanken machte ich mir weiter Notizen, derweil Brahms über Inhalationsanästhetika und Muskelrelaxanzien philosophierte. Außerdem bemäkelte er mein Zeitmanagement.
»Als selbstständiger Anästhesist ist man natürlich ganz anders organisiert«, erklärte er und holte zu einem längeren Monolog aus, während er mich an der Theke vorbeilotste.
»Haben Sie schon davon gehört, dass Ihr Kollege Viehhöfer nach München geht? Ihm wurde eine Oberarztstelle in einer Privatklinik in Harlaching angeboten.«
»Das ist aber schade«, sagte ich, nachdem wir uns auf den Plastikstühlen niedergelassen hatten. Ich mochte Viehhöfer, bisher war er mir nie unangenehm aufgefallen.
»Die operieren dort alles. Von der Hand bis zur Hüfte «, zitierte Brahms. »Vielleicht sind wir dann demnächst richtige Kollegen.«
Ich lächelte gequält. Ich war nicht besonders scharf darauf, Brahms zu meinen richtigen Kollegen zu zählen. Eigentlich war ich von den wenigen Diensten, die wir bisher gemeinsam erlebt hatten, bereits übersättigt.
Da entdeckte ich Gaby, die ein Tablett vor sich her balancierte, und winkte hektisch.
»Hier ist noch ein Platz frei!«, rief ich ihr durch den Gang zu. Was leicht untertrieben war, da am späten Nachmittag kaum Besucher in die Cafeteria fanden. Aber Gaby durchschaute meine Notlage und ließ ihr Tablett auf unserem Tisch nieder.
»Hey, ihr zwei«, johlte sie. »Wenn ihr jetzt tot umfallt, könnte das glatt als Arbeitsunfall durchgehen.«
Schnell zog ich meine Hände aus der Kitteltasche.
»Gabriele«, sagte Gaby und reichte Brahms die Hand. »Chirurgie.«
»Brahms«, sagte Brahms. »Johannes Brahms. Ich bin Anästhesist.«
»Guter Witz! Haha!«, lachte Gaby und war zu meiner Bestürzung gleich für ihn eingenommen.
»Rachmaninov. Gaby Rachmaninov.« Sie schlug sich auf die Schenkel.
Ich räusperte mich und nippte an meiner Tasse.
»Sie sind neu hier, was?«
Möglichst unauffällig versuchte ich, unter der Tischplatte Gabys Schienbein zu erwischen. Dabei verschüttete ich etwas Kaffee. Aber da mein Kittel ohnehin schon ruiniert war, störte mich das nicht besonders. Was mich aber störte, war die Tatsache, dass Gaby sich ein ganz falsches Bild von Brahms machte, wenn sie weiterhin dachte, er sei der Typ für Witze. Mir wurde bereits jetzt ganz flau im Magen, als ich sah, wie sie ihn anlächelte.
»Kommen Sie auch zu unserem Sommerfest ins Raphaello am Samstag?«, fragte sie ihn auch prompt.
»Also ich weiß noch nicht, ob ich da hingehe«, fuhr ich dazwischen. »Meine Schwägerin plant wieder eines ihrer Familientreffen. Sie möchte das Essen für den Geburtstag meiner Mutter probekochen.«
»Sei nicht so ein Feigling, natürlich gehst du!«
»Du weißt, wie ungemütlich Silke wird, wenn etwas nicht nach ihrem Plan läuft. Außerdem ist sie immer noch sehr … sehr«, ich suchte nach Worten, »... labil durch die Operation und die dramatischen Komplikationen.«
»Was für eine OP denn?«, fragte Gaby.
»Na ja, die mit dem, äh, Zahn.«
»Ach die!«, sagte Gaby mit Grabesstimme. »Du könntest Silke ja mitbringen, das würde sie auf andere Gedanken bringen. Kuttenkeuler schleppt auch seine Frau an, da kannst du als Single«, sie bedachte Brahms dabei mit einem vielsagenden Blick, »doch deine Schwägerin mitnehmen.«
»Würde ich ja gerne. Wenn nur die Anmeldefrist nicht schon abgelaufen wäre.« Ich bemühte mich gar nicht erst, den Triumph in meiner Stimme zu verbergen.
»Es wäre wirklich sehr bedauerlich, Josephine, wenn Sie sich das entgehen ließen, nur weil Ihnen die Begleitung fehlt«, sagte Brahms daraufhin salbungsvoll.
Ogottogott, dachte ich, das lief ja in eine völlig falsche Richtung!
»Sie würden mir eine große Freude machen, wenn ich Sie geleiten dürfte.«
» Jöh «, röchelte ich.
Gaby grinste.
»Das ist sehr nett von Ihnen, dass Sie sich für mich aufopfern wollen«, sagte ich, während mir ein Schauer den Rücken herunterlief, »aber das wird nicht nötig sein.« Mir fiel zwar kein Argument ein, warum das nicht nötig sein würde, aber
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