Fernsehkoeche kuesst man nicht
Desinfektionsmittel um.
»Ich schicke Ihnen gleich die Schwester vorbei«, sagte ich und dachte noch daran, was für ein Glück ich hatte, dass es nicht meine Aufgabe war, sie trocken zu legen.
»Ja, bist du denn nit die Schwester, die mir hück Naach jeholfe hat ?«
»Frau Oltmanns , ich bin doch die Anästhesistin. Heute Nacht das war Schwester Annegret.«
»Dann operierst du mich hück .«
»Nein, ich bin eine Assistenzärztin der Anästhesie, ich bin für Ihre Narkose zuständig.«
»Und wenn du jroß bist, dann darfst du mich operieren?«
»Nicht ganz. Wenn ich meinen Facharzt habe, dann sorge ich ganz allein dafür, dass Sie von der OP nichts mitbekommen und keine Schmerzen haben«, erklärte ich geduldig.
»Bist ein leev Mädche !«, sagte sie mit Tränen in den Augen und tätschelte mir die Wange. Ihre Hand war noch pipifeucht .
»Haben Sie denn alles verstanden, was ich Ihnen eben erklärt habe, Frau Oltmanns?«
Sie nickte. » Ming Hüfte deit et nit mih, deshalb muss ich unger et Messer.«
»Ich meine, ob Sie verstanden haben, welche Risiken die Narkose mit sich bringt.«
»Natürlich, Kind. In mingem Alter kann et jeden Moment vorbei sin.«
»Mit Ihren Zähnen ist es nicht ganz ungefährlich. Die beiden einzigen Backenzähne, die Sie noch besitzen, sind ziemlich morsch. Ich kann nicht dafür garantieren, dass sie heile bleiben.«
» Dat mäht doch nix, Leevche . Beißen kann ich damit keine mih .« Sie kicherte, dann verstummte sie, weil hinter mir die Tür geöffnet wurde.
»Frau Kollegin«, erklang die Stimme von Johannes Brahms, »Sie werden auf der Intensivstation benötigt.«
»Tatsächlich?« Ich war überrascht, weil ich eigentlich schon Feierabend hatte.
Brahms trat zu uns ans Bett und rümpfte die Nase, als er Frau Oltmanns’ Pipi-Aroma bemerkte. Ein Blick auf den Anästhesiebogen ließ ihn sofort tätig werden.
»Sie haben noch nicht unterschrieben, werte Dame!«, stellte er fest und quetschte Frau Oltmanns einen Kuli zwischen die Gichtfinger.
» Dat Schwester war mir jrad noch jet am erklären!«, gab die werte Dame zurück und runzelte die Stirn.
»Frau Dr. Henning«, er betonte den Doktortitel laut, »hat jetzt keine Zeit für ein Kaffeekränzchen. Sie werden doch wohl verstehen, dass eine Schwangere auf der Intensivstation wichtiger ist als Ihre Hüfte!«
Frau Oltmanns war sichtlich bestürzt. »Leeve Jott! Jeht et um Leben und Tod?«
»Auf der Intensivstation geht es immer um Leben und Tod!«, meinte Brahms streng. »Was denken Sie denn?« Er schob den Aufklärungsbogen unter ihre Hand und dirigierte den Kugelschreiber mit geübter Sicherheit über das Papier. Die Unterschrift, die sie ihm gab, hatte deutliche Ähnlichkeit mit einem EKG bei Angina Pectoris .
Heute trug Brahms kein T-Shirt unter seiner blauen Anästhesie-Kleidung, deshalb gewährte er mir einen tiefen Einblick auf seine schmale Brust, die mit Muttermalen übersät war wie ein Teich mit Entengrütze. Noch bevor Frau Oltmanns erneut Luft geholt hatte, entriss er ihr das Blatt und zerrte mich nach draußen.
»So«, grunzte er zufrieden. Jetzt, wo ich Ihnen mindestens eine halbe Stunde Zeit verschafft habe, wäre es nur recht und billig, wenn Sie mir etwas davon abtreten würden.«
»Abtreten?«, wiederholte ich verwirrt.
»Machen wir einen Abstecher in die Kantine!«
»In die Kantine?«
»Kaffee oder Tee?«, fragte er und gab sich selbst die Antwort darauf. »Was für eine Frage – man sieht doch gleich an Ihrem Kittel, dass Sie Kaffeetrinkerin sind!« Sein Adamsapfel hüpfte beim Lachen auf und ab wie ein Flummi.
Ich schaute an mir herunter und entdeckte (mal wieder) eine verräterische blassbraune Spur in Brusthöhe. Da hatte er sich schon meinen Arm geschnappt und ihn bei sich eingehakt.
»Was ist denn mit der Schwangeren?«, wagte ich nachzufragen. »Kommt sie mit Gestose?«
»Welche Schwangere denn? Ach so«, sein Adamsapfel hüpfte wieder. »Sie Dummerchen! Das habe ich doch bloß gesagt, damit die alte Schachtel endlich Ruhe gibt. Wenn Sie immer so lange bei der Aufklärung brauchen, ist das nicht sehr effektiv.«
Ich überlegte, wie effektiv es wäre, seinen Adamsapfel festzutackern. Denn als Dummerchen ließ ich mich nicht gerne anreden.
Die Aufzugtür schloss sich hinter uns. Das schummrige Fahrstuhllicht wirkte auf Brahms anscheinend anregend.
»Sagen Sie ruhig Johannes zu mir. Johannes und Josephine, das klingt doch wunderbar.«
Metallklammern oder
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