Fesseln der Erinnerung
gesehen hättest.“
Faith schüttelte erschreckt den Kopf, doch Vaughn hatte recht. Absolute Rehabilitation löschte alles aus, nichts blieb übrig von der Seele, den Gedanken, dem Geist.
Max wusste nicht, ob er Sophia berühren sollte oder nicht, denn der Auslöser musste ja der Sex zwischen ihnen gewesen sein. Doch dann verließ er sich auf seinen Instinkt und zog sie auf seinen Schoß. Es war genau die richtige Entscheidung. Sie lag weich und warm in seinen Armen, ihr Atem ging leicht, ihr Herz schlug regelmäßig. Die Panik in ihm legte sich.
Die J-Mediale, um die sich sein Leben drehte, hatte ihn nicht verlassen.
Ein leiser Laut, den er fast überhört hätte. Er strich ihr die dunklen Haare aus der Stirn und umfing ihre Wange. „Sophie?“
Ein rascher Atemzug, dann schlug sie die Augen auf. Immer noch waren sie schwarz und voller Geheimnisse. „Warum – ?“ Sie schnappte nach Luft, und ihre Hand fuhr unruhig durch die Luft.
Ihm wurde eiskalt. Hatte er vielleicht in seiner Not einen schrecklichen Fehler begangen? Dann würde sie durch den Schock vielleicht noch einmal in Ohnmacht fallen … oder noch Schlimmeres würde geschehen. Aber noch ehe er seine Hand wegziehen konnte, griff sie danach und hielt sie ganz fest. Und das Schwarz verschwand aus ihren Augen, sie wurden wieder tiefviolett bis auf die schwarzen Pupillen. „Max?“
Er suchte ihren Blick, aber ihre Augen irrten hin und her. „Konzentriere dich, Sophie.“ Er war besorgt, weil sie so desorientiert wirkte, denn es konnte ein Anzeichen dafür sein, dass ihr Gehirn beschädigt war.
Doch plötzlich sah sie ihm in die Augen. „Ich heiße nicht Sophie.“
„Nein. Wie denn sonst?“
Längeres Schweigen. „Sophia Russo.“ Das klang beinahe erleichtert. „Acht Komma acht fünf auf der Skala, J-Mediale im Dienst der Justiz, zeitweise bei Ratsfrau Nikita Duncan beschäftigt.“
„Sehr gut.“ Er war erleichtert. „Und wer bin ich?“
„Max Shannon, Detective mit der höchsten Aufklärungsrate in New York, einem natürlichen Schild und … und seinen Händen auf mir.“ Ihre Finger schlossen sich heftig um seine Hand, als bemerkte sie erst jetzt, wie fest sie sich gehalten hatte.
„Schsch.“ Er löste ihre Hand und küsste die Innenfläche. „Alles in Ordnung.“ Er versuchte, ganz ruhig zu sprechen, obwohl sein Herz die wildesten Kapriolen schlug.
„Max, du kannst mich ruhig Sophie nennen“, sagte sie schnell, als befürchte sie, er könne sie falsch verstanden haben.
„Das habe ich in nächster Zeit auch vor.“ Er hatte einmal alles verloren und dennoch überlebt, sie durfte er nicht verlieren. Dann würde er zugrunde gehen.
Sie verschränkte ihre Finger mit seinen und wandte den Kopf zur Seite. „Es ist jemand hier. Ich höre Geräusche.“
„Faith NightStar und ihr Gefährte Vaughn D’Angelo.“
„Faith, die Hellsichtige.“ Sie sah auf ihre Hände. „Was ist denn geschehen?“
In diesem Augenblick traten Faith und Vaughn ein, beide hielten je zwei Becher Kaffee in den Händen. „Wir hatten gehofft, dass Sie uns das erklären könnten“, sagte Faith und stellte zwei der Becher auf den Nachttisch.
Sophia sah auf, rutschte aber nicht von Max’ Schoß herunter, was ihm deutlich zeigte, in welcher Verfassung sie war. Denn in der Öffentlichkeit, wenn andere zugegen waren, hatte sich Sophie stets reserviert gegeben, das war ein Teil von ihr, keine Konditionierung durch Silentium. Eine offene Zurschaustellung von Gefühlen behagte ihr nicht – aber das war für Max nicht weiter schlimm, denn bei ihm gab sie ihre Vorsicht auf und vertraute ihm völlig.
Er ergriff einen der Becher und drückte ihn ihr in die Hand. „Trink.“
Sie nippte gehorsam, ihr Blick richtete sich nicht auf Faith, sondern auf Vaughn, was Max mit einer gewissen Gereiztheit registrierte. Er erinnerte sich vage daran, gehört zu haben, dass Vaughn kein Leopard sei, aber eine Raubkatze war er sicher. Besaß dieselbe katzenhafte Eleganz in seinen Bewegungen wie Dorian oder Lucas. Und Max hatte schon oft genug erlebt, dass sich Frauen von Gestaltwandlern, die Raubkatzen waren, angezogen fühlten.
Sophia wandte die Augen nicht von Vaughn ab, selbst als dieser Faith seinen Arm mit einer besitzergreifenden Geste um den Nacken legte. Faith durchbrach schließlich die eigenartige Stille. „Wenn Sie nicht damit aufhören, meinen Gefährten so anzustarren, muss ich die Krallen ausfahren.“ Ihr Lächeln nahm dem sanften Spott jede Schärfe.
Aber
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