Fesseln der Erinnerung
eindringen?“
„Wahrscheinlich wollte man meine Zeugenaussage in einem wichtigen Mordfall manipulieren“, sagte sie und senkte den Blick.
Aus Scham, vermutete er, wenn er ihren Gesichtsausdruck richtig deutete. „Sophie?“
„Ich werde es dir erzählen … aber ich brauche ein wenig Zeit.“ Sie war so hilflos. „Bitte, Max.“
Er stieß hörbar die Luft aus. „Langsam gewinne ich den Verdacht, dass du immer ‚bitte ‘ sagst, wenn du mich herumkriegen willst.“
Überraschung leuchtet in ihren Augen auf. „Nein, das tue ich nicht … aber könnte ich es?“
Unwillkürlich musste er lachen. „Glaubst du wirklich, dass ich diese Frage beantworte?“
„Dann ginge es also.“ Ihre Stimme klang erstaunt und auch erfreut. „Ich verspreche dir, dass ich meine Macht nur für gute Zwecke nutzen werde.“
Er streckte die Hand aus und gab ihr einen leichten Klaps auf das Hinterteil. „Du hast das Zeug zu einer richtig frechen Göre.“
Ein ganz kleines Lächeln, als erwache seine Sophie aus einem sehr langen Schlaf. „Ich muss dir noch etwas über die Ermittlungen für Nikita erzählen.“
Er legte die Hand über der Decke um ihre Hüfte, genoss die Wärme, auch wenn er nicht die blanke Haut berühren konnte. „Und ich wollte dich etwas fragen. Es geht um Ryan – “
„Genau darüber wollte ich mit dir reden“, unterbrach sie ihn. „Genauer gesagt, über die Gründe für seine Rekonditionierung vor sechs Monaten.“
Max runzelte die Stirn. „Die Akte ist doch geheim.“ Er hatte erst kurz zuvor versucht, Zugang zu ihr zu bekommen.
„Ein anderer J-Medialer war mir noch einen Gefallen schuldig.“ Sie setzte sich auf, seine Hand wanderte weiter auf ihren Oberschenkel, und die Berührung jagte ihr einen Schauer über den Rücken. „Ryan hat jemanden umgebracht, es war ein Unfall. Seine telekinetischen Kräfte sind mit ihm durchgegangen.“
Max streichelte sie noch einmal, stand dann auf und ging zum Fenster. „Wie viel Schaden könnte die Rekonditionierung in seinem Kopf angerichtet haben?“
„Das kann man nicht sagen – die Behandlung ist sehr intensiv, aber der Verstand bleibt intakt. Das ist ja das Ziel – die Risse in der Konditionierung zu beseitigen, damit die Person wieder funktioniert.“ Aus ihren Worten sprach jahrelange Erfahrung. „Er könnte Sympathien für die Makellosen Medialen entwickelt haben, weil seine Fähigkeiten außer Kontrolle geraten sind.“
Max verschränkte die Arme und lehnte sich neben dem Fenster an die Wand. „Bleibt immer noch die Tatsache, dass er nicht in Nikitas Diensten stand, als die Bombe im Fahrstuhl gelegt wurde. Einen Maulwurf könnte es geben. Aber zwei? Nein. Nicht in Nikitas Unternehmen.“
„Aber eine bessere Spur haben wir nicht.“
Max richtete sich auf. „Und heute Nacht wird er nirgendwo mehr hingehen. Ich werde den Sicherheitskräften Bescheid sagen, dass sie ihn im Auge behalten. Wir können dann morgen mit ihm reden.“
Er würde jetzt gehen, das war ihr klar. Sie zog die Decke hoch und drehte ihm den Rücken zu. Wenn er gehen wollte, musste sie das akzeptieren, aber sie musste es ja nicht gut finden.
„Sophie.“
Sie boxte mit der Faust auf das Kissen, um ihm die richtige Form zu geben.
Er fluchte leise, dann spürte sie, wie die Matratze sich senkte. „Ich kann heute Nacht nicht hierbleiben, Baby.“ Wieder fühlte sie seine Hand auf ihrer Hüfte, die Hitze versengte sie trotz der Decke.
Er hatte ihr geschworen, um sie zu kämpfen. Nun kämpfte sie um ihn. „Wir müssen uns ja nicht berühren.“ Sie drehte sich um und sah ihn an, ohne die Hand nach ihm auszustrecken. „Du kannst dich auf die Decke legen.“ Dann lächelte sie ein wenig. „Bitte.“
„Du hast offensichtlich ebenfalls das Zeug zu einer ganz gerissenen Göre.“ Aber er blieb, schlief bis zum Morgengrauen neben ihr. Kurz bevor er erwachte, hatte er einen Traum, in dem River lachend mit ihm gemeinsam hinter einem Straßenköter herjagte, den sie zu ihrem Haustier gemacht hatten.
Als er aufwachte, hatte er einen Kloß im Hals, seine Brust schmerzte. Der Grund für diesen Traum, diese glückliche Erinnerung, war sicher die Frau an seiner Seite, die kurz darauf erwachte. „Ich danke dir“, sagte er.
Verschlafen sah sie ihn an, die dunklen Locken fielen ihr ins Gesicht. „Wofür denn?“
„Dass du mich dazu gebracht hast, mich zu erinnern.“ Er hatte die Vergangenheit begraben, weil sie so verdammt wehtat. Aber damit hatte er auch River begraben.
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