Fesseln der Leidenschaft
unserer Gruppe wieder.«
»Behauptest du, daß ihr alle aus Warhurst kommt?«
»Ja, verbannt ohne faire Anhörung und von unseren Familien getrennt. Wenn Lord Richard nicht selbst dafür sorgt, dann macht es sein Kastellan oder einer dieser fetten Händler, die in seiner Gunst stehen. Alle ahmen sie ihn nach; sie beschuldigen einen Mann ungerechtfertigt, weil sie etwas von ihm wollen oder ihn einfach nicht mögen. Jedes Wort, was ich sage, kann bestätigt werden, wenn Sie irgendeinen beliebigen in Warhurst fragen.«
»Wenn das so ist, warum habt ihr nie Rechtshilfe bei Gericht gesucht?«
»Gegen einen Lord, und dazu noch einen, dem unsere Familien unterstellt und seinen Schikanen ausgesetzt sind?«
Ranulf brummte. Er kannte die Macht kleiner Tyrannen aus eigener Erfahrung. Montfort war einer von ihnen.
»Du bist kein Zinsbauer. Was warst du in Warhurst?«
»Lord Richards Sekretär«, erwiderte der Mann verbittert. »Nicht einmal mein Wissen um seine ergaunerten Gewinne hielt ihn davon ab, sich meiner zu entledigen.«
Ranulfs Brauen hoben sich. »Ergaunerten Gewinne – durch gestohlene Rinder und Schafe?«
»Ja, unter anderem.«
»Durch gestohlene Rinder und Schafe aus Clydonschem Besitz?« hakte Ranulf nach.
»Ich weiß nicht, wo das Vieh herkam, nur, daß es zum Verkauf nach Norden gebracht wurde.«
»Sag mir noch eines«, befahl Ranulf. »Warum hat niemand in Clydon die Tyrannei dieses Lords durchschaut – bei so einer engen Nachbarschaft?«
»Wer sollte Verdacht schöpfen? Die Lady selbst muß die Warhurst-Märkte nicht besuchen; ihre eigenen Händler in Birkenham versorgen sie mit allem Notwendigen, also hört sie keine Klagen. Aber Lord Richard kommt oft nach Clydon, und er ist ein anderer Mensch, wenn er sein kleines Königreich verläßt. Er kann jeden, der ihn nicht gründlich kennt, von seiner absoluten Integrität überzeugen. Er ist jung und gescheit und erst seit vier Jahren Lord von Warhurst. Falls die Lady oder ihr Vater je Gerüchte über ihn hörten, glaubten sie nichts davon und verteidigten den Mann. Wenn Sie ihn treffen, werden auch Sie an meinen Worten zweifeln, denn er wirkt unglaublich vertrauenswürdig und rechtschaffen.«
»Ich muß ihn nicht erst treffen, um an deinen Worten zu zweifeln. Alles, was du gesagt hast, ist ungewiß, oder nimmst du an, daß ich einem Gesetzlosen blind vertraue? Deine Geschichte hat jedoch deinen Tod durch Erhängen für eine Weile aufgeschoben, wenigstens so lange, bis ich höre, was Lady de Burgh zu alldem zu sagen hat. Stelle ich dann fest, daß ihr nichts Böses getan habt, werde ich mir den Rest deiner Erzählung durch den Kopf gehen lassen.«
34
Louise de Burgh stand in der offenen Tür ihrer Halle und sah mit Entsetzen, wie ein Mann nach dem anderen durch ihr Tor geritten kam und sich in ihrem Hof aufstellte. Sie war unterrichtet, daß es sich um Lord Fitz Hugh und seine Leute handelte, doch es war zu spät gewesen, die Tore zu schließen. Das hätte auch nichts genützt, wie sie jetzt erkannte, denn fünfzig, sechzig und mehr Männer strömten herein, unter ihnen der Riese auf seinem mächtigen Schlachtroß, das nervös tänzelte, während er direkt in ihre Richtung blickte.
Sie erkannte einen weiteren Mann, Sir Eric Fitzstephen. Wenigstens war er nicht tot. Aber was war mit den beiden, die ihn gestern begleitet hatten? Bedeutete ihre Abwesenheit, daß sie den Überfall nicht überlebt hatten?
Gott mochte ihr helfen, sie mußte verrückt gewesen sein! Das hatte ihr bald gedämmert, nachdem sie ihre Männer ausgesandt hatte, jene Ritter anzugreifen. Sie hatte dann andere Männer hinter ihnen hergeschickt, doch es war zu spät gewesen. Und nun kam ihr Oberherr, um sie zu bestrafen. An allem war Searle von Totnes schuld, dieser erbärmliche Halunke. Wenn er nicht behauptet hätte, er könne sie, Louise, bekommen, wenn er Ranulf darum bäte, hätte ihr Ärger sie nicht dazu getrieben, etwas so Blödes zu tun.
Natürlich konnte sie auch William einige Schuld anlasten, weil er so schwierig war und sie nicht heiraten wollte. Wäre sie schon verehelicht gewesen, hätte Searle von Totnes sie nicht beunruhigen können. Doch sie wollte William keine Vorwürfe machen. Sie liebte ihn. Mit der Zeit hätte sie ihn davon überzeugen können, daß sie füreinander geschaffen waren. Nun war es zu spät.
Oder doch nicht? Konnte Lord Fitz Hugh sicher wissen, was sie getan hatte? Woher sollte er die Gewißheit haben, wenn sie nichts zugab? Die Männer, die
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