Fesseln der Leidenschaft
unbemerkt von Keigh Manor aus folgen können?«
»Ja«, gab Algar zu, wenn auch zögernd. »Die Wahrheit ist, daß wir nicht sehr auf die Straße achteten. Wir lachten so viel, daß wir auch kaum etwas gehört hätten.«
»Erkläre mir das näher.«
»Sir Searle war Feuer und Flamme für die Witwe, und Ihre anderen beiden Ritter zogen ihn deshalb auf, vor allem, weil sie seine Begeisterung nicht erwiderte.«
Ranulf hatte noch nicht daran gedacht zu fragen, wie sie in Keigh Manor empfangen worden waren. Der Zweck ihres Besuches war nach dem schlimmen Vorfall völlig vergessen worden.
»Wie war Lady de Burgh sonst?«
»Da Sie es erwähnen, mein Herr – die Lady schien sich verändert zu haben, seit wir sie das letzte Mal in Clydon sahen.«
»Inwiefern?«
»Sie gab sich zwar höflich, aber doch sehr kühl. Als
Frau, die einen Gatten benötigt, hätte sie drei hübsche Ritter normalerweise mit Entzücken empfangen müssen, aber sie war froh, als sie wieder abzogen.«
»Hat man ihr den Grund eures Besuches gesagt?«
»Von Sir Searle hat sie es sicher erfahren – weil er so verliebt war.«
»Hat er die Lady beleidigt?«
»Mit Erklärungen unsterblicher Liebe?«
Ranulf schnaubte. »Dann war er wohl ein wenig taktlos. Was hatte die Lady gegen Eric und Walter, oder benahmen sie sich ebenso anstößig?«
»Überhaupt nicht – deshalb kam uns ihr Verhalten auch so seltsam vor.«
»Kannst du dir einen Grund für ihr Betragen denken?«
»Ja.« Das kam von dem Gesetzlosen, der sich nicht scheute, Ranulfs Aufmerksamkeit erneut auf sich zu ziehen. »Gerüchte sagen, daß Lady de Burgh ihr Herz William Lionel, einem ihrer Garderitter, geschenkt hat. Wenn sie sich schon einen Mann in den Kopf gesetzt hat, wie sollte sie dann andere Bewerber willkommen heißen?«
»Woher weißt du das?« fragte Ranulf.
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Wir haben unsere Quellen. Wir wußten auch von Ihrem ersten Auftritt in Clydon – und wer es war, den Sie an jenem Morgen in die Flucht geschlagen haben.«
»Das wissen wir auch.«
»Wirklich, mein Herr?«
Das wurde in einem Ton hervorgebracht, der keinen Zweifel daran ließ, daß der Gesetzlose Kenntnisse hatte, von denen Ranulf nichts ahnte. Das gefiel dem Riesen nicht. Im Handumdrehen packte er den Mann vom an seinem Lederwams und hob ihn in Augenhöhe.
»Am besten spuckst du es ganz schnell aus, ehe ich mich erinnere, warum ich dich holen ließ.«
»Sie flohen nach Warhurst.«
»Du lügst«, zischte Ranulf. »Es hat sich herumgesprochen, daß der dortige Kastellan ein Schwachsinniger ist.«
»Das ist er in der Tat, aber sein Herr ist nicht schwachsinnig. Lord Richard war die ganze Woche in Warhurst, und an jenem Morgen begleitete er einen großen Trupp seiner Männer. Er sowie seine Leute trugen keine seiner Farben. Ich selbst sah ihn, wie er mit einer Wunde an der rechten Schulter nach Warhurst zurückkehrte. Ich werde den Schuft immer erkennen, der mich zum Gesetzlosen machte, nur, weil es ihn nach meiner Frau gelüstete.«
Ranulf stellte den Mann langsam wieder auf die Erde. Dann brach er zum Erstaunen seiner Männer und ihrer Gefangenen in Gelächter aus. Konnte sich sein kleiner General so ungeheuer in dem Lord geirrt haben, den sie hatte heiraten wollen? Konnte der Lord so ahnungslos gewesen sein, was Reinas Wünsche betraf, daß er sich die junge Frau mit Gewalt hatte holen wollen? Himmel, das war ein Witz! Wenn es stimmte. Ranulf wurde wieder nüchtern und betrachtete den Gesetzlosen mit verengten Augen.
»Du bist eine wirkliche Informationsquelle, Meister Räuber.«
Der Mann richtete sich steif auf. »Was ich von der de Burgh-Witwe weiß, stammt nur aus Gerüchten. Sie ist jung und in mancher Beziehung noch ein Kind. Ich wäre der erste, der Zweifel daran hätte, daß sie Ihnen ihre Männer nachgeschickt hat. Ich weiß jedoch mit absoluter Gewißheit, daß meine Männer an der Sache nicht beteiligt waren und daß die Angreifer aus der Richtung von Keigh Manor kamen. Eine Schlußfolgerung daraus ziehe ich nicht. Und was ich von Richard von Warhurst weiß, ist ebenfalls die reine Wahrheit.«
»Das sagst du, aber du gabst zu, gute Gründe für die Verunglimpfung seines Namens zu haben«, stellte Ranulf fest.
»Die habe ich, wie jeder hier in der Runde. Er hat einen mächtigen Vater und glaubt daher, über dem Recht zu stehen. In Warhurst kann er sich das leisten, denn keiner dort wagt ihm zu widersprechen. Falls es einer versucht, findet er sich schnell in
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