Fesseln der Leidenschaft
gestern zurückgekehrt waren, würden niemals ihre Schuld bekennen. Und William mit seinem verfluchten Ehrgefühl wußte nichts von der Sache. Also brauchte sie nur …
»Louise de Burgh?«
Sie erschrak heftig. Er war nicht abgestiegen und nicht einmal nähergekommen. Seine Stimme dröhnte über den Hof wie Trompetenschall.
Um zu antworten, hätte Louise de Burgh schreien oder zu Ranulf hingehen müssen. Beides paßte ihr nicht, also nickte sie nur.
»Sind das alle Männer, die Sie haben, Lady?«
Louise blickte sich um und stellte fest, daß jeder angetreten war, um einen Blick auf den neuen Lord von Clydon zu werfen, selbst die Diener. Sie hatten ja auch nichts zu fürchten. William war ebenfalls anwesend. Er stand neben den Soldaten und runzelte die Stirn wegen Ranulfs Benehmen. Die Soldaten waren es, die Fitz Hugh gemeint hatte. Sie waren auf eine Zahl von zwölf zusammengeschrumpft, nachdem Louise am Vortag zehn von ihnen verloren hatte.
Ehe Louise bejahend nicken konnte, fragte Lord Ranulf: »Wer von Ihnen ist William Lionel?«
Nun rannte Louise die Stufen hinunter. »Was wollen Sie von Sir William?« rief sie. »Er war gestern nicht da … «
Es war zu spät, die Worte zurückzunehmen, die eine Verurteilung bedeuteten, nach Ranulfs Gesichtsausdruck zu schließen. Der Herr von Clydon stieg endlich vom Pferd, und Louise erbleichte, als sie sah, daß es sich wirklich um einen Riesen handelte – und daß er direkt auf sie zukam. Sie wäre geflohen, hätte das Entsetzen sie nicht gelähmt bei dem Gedanken, er würde sie auf der Stelle töten.
»Ich hätte geschworen, daß Sie es nicht waren, Lady. Als Eric vermutete, Lionel habe auf eigene Faust gehandelt, um einen Rivalen zu beseitigen, war ich geneigt zuzustimmen, obwohl Eric sich nicht an Lionel erinnern konnte.«
Ranulf hatte nicht erwartet, daß Eric auftauchen würde, gerade, als er die Hälfte seiner Männer zur Begleitung der Gefangenen nach Clydon abkommandiert hatte und selbst mit dem Rest nach Keigh Manor aufbrechen wollte. Aber Eric hatte ihn überzeugt, daß es sinnlos sei, noch länger auf die Gesetzlosen zu warten, nachdem die Gruppe von Warhurst noch unterwegs war.
Als Eric die Geschichte des Räubers gehört hatte, verteidigte er gleich die Witwe.
»Sie ist sehr schön. Hätte Searle sich nicht sofort in sie verliebt, hätte ich sie vielleicht haben wollen. Um sie zu besitzen, kann ein Mann leicht zum Mörder werden, und dieser Ritter sah vermutlich seine Chancen bedroht, als er den Zweck unseres Besuches erfuhr.«
Das leuchtete Ranulf ein, und er glaubte es, doch es war nicht so. Er hätte seinem Instinkt folgen sollen, der jeder Lady zuerst einmal mißtraute, denn diese Damen waren hinterlistig und fähig, Verrat zu üben. Und sie war bezaubernd, diese hier, mit ihrem weizengoldenen Seidenhaar und den saphirblauen Augen – jung und voller Angst, aus gutem Grund. Ranulf hätte sie aufhängen sollen, doch er vermutete, daß sein kleiner General dagegen protestieren würde.
»Was soll das bedeuten, Lord Fitz Hugh?«
Ranulf drehte den Kopf, um den Ritter anzusehen, den er schon vorher bemerkt hatte und von dem er zu Recht annahm, daß es Sir William Lionel war. Groß und hübsch, mit rußschwarzem Haar und kühnen, grauen Augen, konnte der Mann in einer einsamen jungen Frau bestimmt Leidenschaft erwecken. Die Frage war: Wer begehrte wen?
»Ihre Lady fand, sie habe zu viele Freier und sollte einige davon umbringen lassen«, erwiderte Ranulf angeekelt.
»Das ist eine schwere Anklage, mein Lord.«
»Die Dame ist dennoch schuldig.«
»Nicht, ehe es bewiesen ist, und ich will ihre Ehre verteidigen, um die Angelegenheit zu entscheiden.«
Ranulfs Interesse war sofort geweckt. Er betrachtete den Mann gründlicher. Er war groß genug, ausreichend kräftig und willig. Ranulf war der Kampf versagt geblieben, auf den er die halbe Nacht und den ganzen Morgen gewartet hatte. Sollte ihm jetzt ein Scharmützel gewährt werden?
»Gegen mich?«
Ein Überraschungsruf folgte, doch Sir William erholte sich rasch und nickte kurz. Ranulfs Lächeln breitete sich langsam aus – es wirkte niederdrückend. Lady Louise brach in Tränen aus und schlang die Arme um Williams Hals.
»Du kannst ihn nicht besiegen – nicht ihn: Bitte, William, ich habe nichts getan – jedenfalls kann er nichts beweisen. Und Lady Reina wird mich beschützen.«
»Hör auf«, sagte William grob und schob sie von sich.
»Aber er wird dich töten.«
»Daran hättest du denken
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