Fesseln der Leidenschaft
Mann wie Montfort unterstellt zu sein. Es war ein schwerer Schlag für ihn gewesen, als er erfuhr, daß sein ebenfalls unehelich geborener, jüngerer Halbbruder alles erben würde.
Seine Erziehung in Montfort galt lediglich dem Gebrauch von Waffen. Ritterliche Tugenden wurden nur sehr oberflächlich und flüchtig erwähnt, denn Lord Montfort war selbst in keiner Weise ein galanter Edelmann. Doch Ranulf wurde zum Ritter geschlagen und verdiente sich schon als Sechzehnjähriger auf dem Schlachtfeld seine Sporen, in einem von Montforts unwichtigen Kriegen. Daß er Montfort noch weitere zwölf Monate diente, geschah nur, weil er auf den ein Jahr älteren Walter wartete, der dann erst Ritter werden konnte. Die beiden hatten sich geschworen, ihr Glück gemeinsam zu suchen.
Wenn Ranulfs Benehmen seine niedere Herkunft verriet, wie sie behauptet hatte, so war das zum Teil ein Ergebnis seiner ›Erziehung‹, zum Teil aber auch eine freiwillige Haltung. Sein Abscheu und Mißtrauen Damen gegenüber beeinflußten seine Handlungsweise, wenn er mit solch hochgeborenen Geschöpfen zu tun hatte. Und seine Erlebnisse mit der Lady von Clydon waren schuld daran, daß sich dieser Tag so hinzog, anstatt heitere Zukunftsgedanken zu wecken. Ranulf wurde von Ärger, Verwirrung und sogar Schrecken geplagt, wenn er sich vergegenwärtigte, was er beim Anblick der Dame auf dem Pferd gefühlt hatte.
Mit der kohlschwarzen Mähne, die um ihre Schultern, den Rücken und die Hüften flatterte, sah Reina keineswegs wie ein Burgfräulein aus. Das zu kurze Gewand war noch kürzer geworden und enthüllte Beine, die bei so einer winzigen Körpergröße spindeldürr hätten sein müssen. Sie waren jedoch wunderbar geformt und viel länger, als Ranulf vermutet hatte. Oder lag es daran, weil er so viel von ihnen sah?
Reina saß mit gestrafften Schultern und erhobenem Haupt auf dem Pferd, mit einer Geschicklichkeit, die sie zweifellos von der Wiege auf gelernt hatte, und als sie durch das Lager galoppierte, hatte sie irgendwie schön gewirkt, obwohl er doch wußte, daß sie nicht schön war; und, noch bestürzender: Sie hatte seine Lustgefühle erweckt.
Zweifellos kam das daher, weil er ihre Brust gesehen hatte. Nein, das allein konnte nicht der Grund sein. Ranulf hatte schon zu viele Brüste gesehen, um sich von einer entflammen zu lassen. Und doch war diese mondweiße Kugel anders – kaum eine Handvoll, aber perfekt in der Form, ohne die geringste Neigung nach unten, was bei größeren Brüsten oft der Fall war. Und die rosa Spitze machte sie einmalig, die verhältnismäßig umfangreiche Brustwarze mit ihrer Empfindlichkeit. Sein Mund war trocken geworden, als der Mann sah, wie sich diese Spitze bei der Berührung mit dem Kleid zusammenzog. Danach genügte es, Reina mit gespreizten Beinen im Sattel zu erblicken, um seine Sinne zu erregen.
Dennoch konnte er nicht verstehen, warum das möglich war, nachdem die junge Frau all das verkörperte, was er nicht mochte, und die ganze Situation entsetzte ihn.
Er warf Reina den ganzen Tag verstohlene Blicke zu, als sie in dem Vorratskarren saß. Ranulf mußte sich vergewissern, daß sie, vollständig bekleidet, nichts Begehrenswertes an sich hatte, und das war auch tatsächlich der Fall. Von Kopf bis Fuß bedeckt, schlüpfte sie wieder in die Rolle der Lady, spröde und steif, eingehüllt in hoheitsvollen Stolz, und warf ihm, wenn ihre Augen sich trafen, giftige Blicke zu.
Auch das war eine Sache, die seinen Zorn verschlimmerte. Warum war es ihm nicht gelungen, diese winzige Xanthippe so weit einzuschüchtern, daß sie ihm keine Schwierigkeiten bereitete? Er hatte sich diesbezüglich gewiß ausreichend angestrengt. Erwachsene Männer zitterten wie Gelee, wenn sie seinen Grimm erlebten – aber sie nicht. Sie schleuderte ihm Beleidigungen ins Gesicht, wenn sie sich in seiner Reichweite befand. Niemand, wirklich niemand, hatte das je zuvor gewagt.
»Halten wir wieder bei der Abtei an, Ranulf?« fragte Walter, als Ranulf neben ihm ritt. »Sie liegt dort vorn.«
»Nein, nicht solange der kleine General uns begleitet.«
»Der kleine … oho! Sie! Aber sie könnte im Lager bleiben, während wir … «
»Damit sie sich wieder ein Pferd schnappt und diesmal von niemandem aufgehalten wird? Nein, ich lasse sie nicht aus meiner unmittelbaren Nähe, wenn mich das auch in den Wahnsinn treibt.«
Walter lachte vor sich hin. Er dachte daran, was er gehört hatte, als die Lady von Ranulf zum Zelt zurückgebracht worden
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