Fesseln der Leidenschaft
Stelle, an der ihre Decke lag, und hüllte sich darin ein. Erst danach ließ sie sich herab, dem Feind ins Angesicht zu schauen.
»So, Herr Ritter«, sagte sie in trügerisch liebenswürdigem Ton, »falls Sie mir etwas mitzuteilen haben, beeilen Sie sich. Ich kann Ihre Gegenwart nicht lange ertragen.«
Das traf ihn genügend. Er sprang auf, doch er vergaß, daß das Zelt seinen Maßen nicht entsprach. Reina mußte beinahe über seinen Gesichtsausdruck lachen, als sein Kopf gegen das Zeltdach stieß und das ganze Gehäuse fast zum Einsturz brachte. Er mußte sich wieder hinsetzen, und sein Zorn wirkte einschüchternd, doch nicht so sehr, wie wenn er sich vor Reina in voller Höhe aufgerichtet hätte.
»Ich sehe, unsere Gefühle beruhen auf Gegenseitigkeit«, erklärte sie, ehe er ein Wort sagen konnte, und das verfinsterte seine Miene noch mehr. »Wenigstens haben wir das gemeinsam. Wenn Sie außer Lügen noch etwas vorzubringen haben, tun sie es!«
Sie merkte, wieviel Mühe es ihn kostete, sitzenzubleiben, doch er fand seine Stimme wieder. »Kneble sie!«
Reina erstarrte, dann wandte sie sich dem unglücklichen Jungen zu. »Berühre mich, und ich werde dich auf deine Ohren schlagen, daß sie dir vierzehn Tage lang klingeln. Falls er zu feige ist zu hören, was ich über ihn sage, soll er mich selber knebeln. Er macht es so sanft.« Ihre hellblauen Augen erschienen noch heller als sonst, während sie sich herausfordernd auf den Riesen richteten.
»Feig, Lady? Es ist mir egal, was Sie von mir denken, aber Sie verschwenden Zeit … «
»Ja«, unterbrach sie ihn hohnlächelnd. »Einem niedrig geborenen Edelmann wird es egal sein, und Ihr Benehmen weist Sie als ein solcher aus.«
»Damit haben sie recht«, gab er böse zurück.
Es war frustrierend, wenn sich eine beabsichtigte Beleidigung als die Wahrheit entpuppte. Und vielleicht ging Reina ein bißchen zu weit, wenn sie ihn vorsätzlich provozierte. Er sah nun aus, als würde er zerspringen; er kämpfte hart, um Reina nicht zu packen und zu schütteln. Gut, sie hatte ihren Standpunkt und ihre Verachtung klargemacht. Am besten hörte sie dem Mann jetzt zu, was er zu sagen hatte.
»Also«, meinte sie mit einem Seufzer, »lassen Sie uns keine Zeit mehr verschwenden, damit wir uns schneller trennen können.« Sie konnte es sich jedoch nicht verbeißen hinzuzufügen: »Was hat Sie zu Ihrer Doppelzüngigkeit veranlaßt?«
»Sie reiten auf Lügen und Doppelzüngigkeit herum, Lady, aber Sie haben mir Ihre Tore geöffnet.«
»Weil Sie vorgaben, mir Hilfe zu bringen.«
»Ich habe Ihnen Hilfe gebracht. Und ich habe Ihre restlichen Leute gestern nicht hingeschlachtet, um sie aus Clydon zu entführen, was viel einfacher gewesen wäre. Wenn Ihre unangebrachte Erhabenheit diese Menschenleben nicht wert ist, sagen Sie es!«
Das nahm Reina den Wind aus den Segeln. Sie wußte nur zu gut, daß diese seine Worte stimmten.
»Das alles ändert nichts daran, daß Sie kein Recht hatten, mich überhaupt mitzunehmen«, erklärte sie in einem ruhigeren, aber nicht weniger bitteren Ton. »Sie kamen nicht von meinem Lord, wie Sie behaupteten.«
»Hier irren Sie sich, Lady«, widersprach er voller Genugtuung, »da Ihr Verlobter, Lord Rothwell, Ihr Herr ist, und ich in seinem Auftrag handle. Er hat das Recht, Sie zu entführen und zu zwingen, Ihr Eheversprechen einzulösen. Ob es Ihre Idee oder die von Shefford war, ihn beiseite zu schieben, ist unwichtig. Er akzeptiert es nicht, übergangen zu werden.«
Reina hörte sich das ruhig an und verblüffte Ranulf anschließend mit einem Lächeln. »Wenn Sie diesen Unsinn glauben, dann sind sie hereingelegt worden. Mein Verlobter starb vor zwei Jahren, ehe mein Vater ins Heilige Land aufbrach. Es war keine Zeit, eine neue Verbindung zu arrangieren. Mein Vater trug mir auf, mich um die Sache zu kümmern, und durch Briefwechsel einigten wir uns auf zwei Kandidaten, die uns beiden zusagten. Einen von ihnen hätte ich nun innerhalb von einer Woche geheiratet.«
»Wen?«
»Das geht Sie wohl kaum etwas an – jedenfalls ist dieser Rothwell keiner von ihnen. Ich habe von dem Mann noch nie etwas gehört, und wenn er sagt, er habe einen Vertrag mit mir, dann lügt er.«
»Oder Sie lügen.«
Reina hob das Kinn. »Die Briefe meines Vaters sind mein Beweis.«
»Dann zeigen Sie sie her.«
»Idiot!« zischte sie erzürnt. »Die Briefe befinden sich in Clydon.«
»Sie wollen, daß ich Ihnen glaube, aber ich wäre wirklich ein Idiot, wenn ich dem
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