Fesseln der Leidenschaft
Unter ihren Dienerinnen befanden sich viel hübschere weibliche Wesen, einige waren sogar wirklich schön, wie Eadwina. Und Reina hatte selbst gesehen, welchen Frauentyp Ranulf anziehend fand. Dieser Typ hatte nicht einmal entfernte Ähnlichkeit mit ihr.
Warum sollte ein so fabelhaft aussehender Mann wie Ranulf Fitz Hugh so etwas sagen? Ihr Wert lag in dem Besitz, den sie in ihre Ehe einbrachte, nicht in ihr selbst. Das hatte sie immer gewußt. Und dennoch hatte Ranulf diese Bemerkung gemacht, die Reina momentan in einen berauschenden Freudentaumel versetzt hatte – ehe sie zu zweifeln begann.
Dann hatten sich ihre Rollen irgendwie vertauscht. Sie hatte erfahren, daß er an seinem Wert zweifelte, daß er nicht glauben konnte, in ihren Augen der beste Mann für Clydon zu sein. Wieso bewegte es ihn überhaupt, was sie dachte? Das alles ergab keinen Sinn.
Seine Ungeduld hatte sich gleich wieder gezeigt, und Reina entdeckte, daß er sie wirklich begehrte. Das war keine Verstellung. Seine aufgestaute Anspannung war die ganze Zeit fühlbar gewesen, doch ihre Ursache wurde erst offenbar, als seine Hand sich dem Scheitelpunkt ihrer Weiblichkeit näherte. In dieser Sekunde fiel Reinas Blick zufällig auf die harte Wölbung in Ranulfs Hose. Aus welchem Grund auch immer – letzte Nacht hatte er sie glühend begehrt, wahrscheinlich, weil sie sich ihm verweigert hatte.
Das triumphierende Gelächter jedoch, das sie so erstaunt hatte, konnte sie noch immer nicht verstehen, vor allem nicht, weil es erklungen war, nachdem Ranulf ihr die peinliche Frage gestellt hatte, ob sie das letzte Mal nicht auf ihn vorbereitet gewesen sei. Zweifelsfrei erinnerte er sich nicht an das letzte Mal, sonst hätte er nicht fragen müssen. Und der Gedanke an dieses letzte Mal hatte bei Reina bewirkt, daß die gleiche feuchte Wärme in ihre Lenden strömte. Dann sein Lachen, das erste, das sie von ihm hörte! Es veränderte ihn, ließ ihn als einen völlig anderen Menschen erscheinen, als nicht mehr so grob und mürrisch und unnahbar.
Doch das war nicht von Dauer gewesen. Er hatte sich auf sie gestürzt und in fieberhafter Eile angestrebt, was er von ihr haben wollte. Sie erinnerte sich an die Frustration, die sie gespürt hatte, und ihre Brauen zogen sich zusammen. Würde es immer so sein – ein schneller Anfang und ein schnelles Ende? War das normal? Lag der Fehler bei ihr, daß sie nicht rasch genug reagierte?
Laute, die aus dem Bett drangen, beanspruchten ihre Aufmerksamkeit, und sie bemerkte mit Erstaunen, daß das Tageslicht alle Schatten aus dem Raum verbannt hatte. Die eine Kerze, die sie angezündet hatte, um ihr Nachthemd anzuziehen und den ›Beweis‹ auf dem Bettzeug vorzubereiten, war niedergebrannt, doch sie wurde auch nicht mehr benötigt. Reina hatte in der Nacht vergessen, ihr Laken zu präparieren, deshalb war es gut, daß sie so früh aufgestanden war. Der ›Beweis‹ hatte Zeit gehabt zu trocknen, ehe die Damen zum traditionellen Entfernen des Hochzeitsleintuchs erschienen.
Reinas zweimal verheirateter Ehemann richtete sich im Bett auf. Eine Falte erschien auf seiner Stirn, die sich auch nicht glättete, als er seine Frau in der fernen Ecke vor dem Schießscharten-Fenster entdeckte. »Verstecken Sie sich, Lady?«
»Bei voller Ansicht, mein Lord?«
Er brummte weithin hörbar. »Warum haben Sie mich nicht geweckt?«
Sie stellte die Beine auf den Boden und stellte fest, daß sie ganz steif geworden waren. »Es ist noch früh, aber vielleicht mögen Sie jetzt aufstehen und sich anziehen. Man weiß nie, wann unsere Gesellschaft auftaucht.«
»Gesellschaft? Ach ja, wie konnte ich das vergessen.« Das war eine trockene Bemerkung. Er blickte auf die wenigen maßvollen Blutstropfen, die Reina neben ihm auf das Laken geschmiert hatte, und furchte die Stirn. »Sie tun meiner Männlichkeit Unrecht, Lady, die in Wirklichkeit eine ganze Blutlache aus Ihnen hervorlockte. Vielleicht sollte ich das Originalbettzeug zur Überprüfung vorlegen?«
Reina konnte es nicht glauben. Ihr griesgrämiger Mann machte einen Scherz? Es war doch ein Scherz?
Sie ging langsam ein paar Schritte. »Sie … haben das Leintuch aufgehoben?«
»Ja, es liegt in der Truhe, und vielleicht sollten Sie es hervorholen. Diese Täuschung, die wir inszeniert haben, hat mich die ganze Zeit gestört. Ich möchte, daß Sie Ihren Männern die Wahrheit sagen.«
Ihre Augen loderten einen Moment, doch dann entspannte sie sich. Auch ihr war die Täuschung nicht angenehm
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