Fesseln der Leidenschaft
gewesen. Und nun, da die zweite Hochzeit vorbei war, gab es keinen Grund mehr, die Lüge aufrechtzuerhalten.
»Gut, sie werden die Wahrheit gern akzeptieren. Ich werde sie ihnen heute verkünden.« Er schien verblüfft zu sein, daß sie keine Einwände machte, doch sie fuhr fort: »Aber die Frauen sind eine andere Sache. Damit es keinen Klatsch gibt, müssen Sie den Damen klarmachen, daß es keinen Zweifel an meiner Tugend gibt. Wie Sie dabei mit den Leintüchern verfahren wollen, ist Ihre Angelegenheit.«
Sie dachte, er würde protestieren, denn er sah so verärgert aus, doch er nickte nur kurz. Es war gar nicht so schwierig, mit ihm umzugehen, und das nahm ihr eine ihrer Sorgen ab. Aber sie war noch nicht fertig.
»Was ich Sir Henry erklärte, darf allerdings nicht angetastet werden.«
»Was haben Sie ihm erklärt?«
»Daß mein Vater Sie für mich ausgesucht hat. Mein Vater begann bei Lord Guy mit der Täuschung, und ich möchte nicht, daß man ihn einen Lügner nennt.« »Hätte er mich denn anerkannt, Lady?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Dann soll es so sein.«
»Gut. Und nachdem wir sozusagen die Atmosphäre reinigen, wäre es wohl an der Zeit, daß Sie mich beim Namen nennen. Erinnern Sie sich an meinen Namen?«
»Also ist der kleine General wieder in Aktion, noch dazu voller Spott. Das habe ich als Morgengruß gerade nötig.«
Reina erstarrte. »Diesen Namen mag ich gar nicht, Ehemann!«
»Im Moment interessiert es mich nicht sehr, was Sie mögen, Ehefrau!«
Sie revidierte ihre Meinung, er sei einigermaßen leicht zu handhaben – ungefähr so leicht wie ein wilder Eber, mit dessen Temperament man das seine manchmal vergleichen konnte.
»Man fängt den Tag nicht mit einem Streit an«, sagte Reina kalt.
»Mir gefällt das aber«, meinte er unfreundlich, gewiß nur, um ihr zu widersprechen.
»Tatsächlich? Das haben Sie als Morgengruß gerade nötig, hm?« gab sie ihm seine eigenen Worte zurück. »Am besten verlasse ich Sie … «
»Wohin gehen Sie?«
Sie blieb auf dem Weg zur Tür stehen. »Das dürfte Sie kaum … «
»Wohin?«
Sie konnte also schon nicht mehr über ihr eigenes Leben bestimmen. Allerdings hatte sie das befürchtet, als sie Ranulf den Vorzug vor Richard oder John gab, von denen sie wußte, daß sie sich ihr untergeordnet hätten.
Reina seufzte, als sie sich zu ihm umdrehte. »Gestern abend fand ich nur dieses Kleid hier vor.« Sie deutete auf den weißen Samt, in den sie sich gehüllt hatte. »Ich wollte in mein früheres Zimmer gehen, um mich anzuziehen und dafür zu sorgen, daß meine Sachen hierhergebracht werden, während wir auf der Jagd sind – falls Sie nicht Ihre Meinung geändert haben und lieber allein hier wohnen wollen.«
Ihr hoffnungsvoller Ton ärgerte ihn. »Sie schlafen hier, wo Sie hingehören.«
Das hatte er auch letzte Nacht gesagt. Warum war er so widerspenstig, wenn er sie offensichtlich gar nicht bei sich haben wollte?
Mit einem steifen Nicken stillschweigender Duldung setzte Reina ihren Weg fort. Es fiel ihr nicht ein, Ranulf um die Erlaubnis zu bitten, sich zurückziehen zu dürfen. Eher würde sie den Rest ihres Lebens in diesem Raum bleiben. Doch ihr Mann hielt sie nicht zurück. Das hätte ihre Stimmung verbessern müssen, tat es aber nicht.
Und ihre Stimmung war gewiß nicht auf Theo eingestellt, der in Reinas Zimmer wartete und sie mit neugierigen Fragen überfiel.
»Nun, wie war es diesmal?«
»Du möchtest die schaurigen Einzelheiten wissen, oder genügen ein paar Worte?« fauchte sie ihn an.
»Also war es wieder grob und schnell?«
»Nicht so grob«, gab sie ungern zu. »Doch es war vorbei, ehe ich recht wußte, daß es begonnen hatte.«
Theo ließ sich auf einen Stuhl fallen, und sein junges Gesicht drückte reine Enttäuschung aus. »Also hat er Ihnen bisher noch kein Vergnügen bereitet?«
»Vergnügen?« schnaubte sie und ging auf die Truhe neben ihrem Bett zu. »Sag mir etwas, Theo. Müßte eine Frau bei der körperlichen Liebe etwas Besonderes spüren, oder sollte sie nur den Wunsch haben, dem Mann, den sie mag, zu höchsten Genüssen zu verhelfen?«
»Sie fragen die falsche Person, Reina. Ich habe natürlich Spaß daran.«
»Ich aber nicht.«
»Aber sie wissen, daß etwas fehlt, sonst würden Sie sich keine Gedanken machen.« Er grinste. »Fragen Sie Wenda. Sie kann Ihnen sicher beschreiben, wie es bei einer Frau sein muß.«
»Ich möchte Wenda nicht fragen«, stellte Reina fest und warf die Lippen schmollend auf. »Sag
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