Fesseln der Leidenschaft
schlecht.«
»Ich weiß das, aber es wird viel Mühe kosten, ihn davon zu überzeugen.« Dann gab er einen warnenden Laut von sich. »Lächeln Sie, er kommt zurück.«
»Sie müssen verrückt sein. Ich könnte jetzt nicht lächeln, wenn mein Leben davon abhinge. Und wenn ich es täte, würde er sich sowieso wundern. Ich bin heute nämlich nicht gut auf ihn zu sprechen. Haben Sie das nicht bemerkt?«
»Aber Sie werden ihm verzeihen?«
»Was Sie mir erzählt haben, erklärt nur sein Mißtrauen adligen Damen gegenüber«, entgegnete sie. »Es entschuldigt nicht sein bedauernswert flegelhaftes Benehmen.«
»Das kann man ändern, meine Lady, falls Sie sich die Mühe machen wollen.«
Sie hatte keine Zeit mehr zu einer weiteren Erwiderung, denn Ranulf nahm neben ihr auf der Bank Platz. Glücklicherweise gab Walter ihr Zeit, sich zu fassen, indem er Ranulf in ein kurzes Gespräch verwickelte. Dann verabschiedete er sich und ließ die beiden allein vor dem Kamin zurück.
Reina konnte ihren Mann noch nicht ansehen. Sie war über ihre Gefühle verwirrt und traute ihrer Stimme keine Festigkeit zu. Wer hätte gedacht, daß so ein Mensch ihr Mitleid erwecken konnte? Er schien so unverwüstlich zu sein, so unempfindlich zarten Regungen gegenüber – aber war er als Junge auch so gewesen? Dann entdeckte sie Eadwina am Ende der Halle, die Ranulf verträumte Blicke zuwarf, und vergaß alles andere.
»Habe ich Ihnen heute weh getan?«
»Wie bitte?«
»Heute im Wald?« fügte Ranulf hinzu. »Habe ich Ihnen weh getan?«
Es lag ihr auf der Zunge, ja zu sagen. Aber in Wirklichkeit hatte sie Ärger, Enttäuschung und Frustration gespürt, doch keinen Schmerz. Und Ranulf zu belügen, war nicht der richtige Weg, ihre Beziehung zu beginnen.
»Nein, das haben Sie nicht.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja.«
»Würden Sie es mir sagen, wenn es anders wäre?«
Sie blickte ihn ungläubig an. Was war los mit ihm? Oder gab er ihr eine weitere Kostprobe seines seltsamen Humors? Jedenfalls hatte sie die Grenze ihrer Reizbarkeit überschritten.
»Wenn Sie mir weh täten, würde ich so laut schreien, daß Sie und jeder andere es wüßten – dessen können Sie sicher sein, mein Lord!«
Er betrachtete sie stirnrunzelnd. Vielleicht hätte er früher fragen sollen, aber sie war den ganzen Tag in keiner guten Stimmung gewesen.
»Wenn ich Sie übers Knie lege, Lady, ist es mir egal, wer es weiß – dessen können Sie sicher sein.«
Hatte sie Mitleid mit ihm gehabt? Sie mußte geistesgestört gewesen sein.
»Danke für die Warnung«, erklärte sie knapp und war im Begriff, sich zu erheben.
Seine Hand hielt sie zurück. »Ich wollte Sie nicht … « Er hielt inne, und seine Stirnfalten vertieften sich. »Warum sind Sie schon den ganzen Tag so grimmig?«
»Denken Sie darüber nach, dann wird Ihnen die Antwort einfallen.«
»Das habe ich bereits getan, und es ist mir keine Antwort eingefallen. Es wäre mir lieber, Sie würden mich aufklären.«
»Sehr gut.« Sie sah sich um, ob niemand lauschte, dann blickte sie in die eindringlichen, veilchenfarbenen Auge ihres Mannes. »Ich hatte keinen Spaß daran.«
»An was?«
»Das wissen Sie doch!« zischte sie.
Er wollte grinsen, beherrschte sich jedoch. Dann machte er den Fehler, zu sagen: »Von Frauen wird nicht erwartet, daß sie Spaß daran haben.«
Reina starrte ihn an und überlegte, was er tun würde, wenn sie ihm irgend etwas über den Kopf schlüge. »Wer hat Ihnen diesen himmelschreienden Unsinn erzählt? Halt, lassen Sie mich raten: ein Priester. Und Sie glaube alles, was Priester Ihnen weismachen. Sie Dümmling! Ein Priester ist nicht Gott. Er ist ein Mann und begeht die gleichen Fehler wie alle Männer. Die Hälfte der Priester begeht sogar dieselben Sünden wie wir. Lieber Himmel, benutzen Sie Ihren gesunden Menschenverstand. Nein besser noch, Sie fragen irgendeine Frau hier, was sie von diesem überholten Gefasel hält. Aber erwarten Sie nicht von mir, daß ich schlechter behandelt werden möchte als eine Hure.«
Jedenfalls wußte er jetzt, was seine Frau davon hielt. Er beobachtete sie, wie sie davonschritt, und mußte sich ein Lachen verbeißen. Bei Christus, sie war beachtenswert! selbst wenn sie lästerte. Also – sie wollte Vergnügen empfinden? Nun verließ ihn sein Humor. Wie sollte er das bewerkstelligen, nachdem er Angst hatte, sie mit seiner Leidenschaft zu überfallen, so winzig und zerbrechlich wie sie war?
27
Reina schlich leise in das Zimmer. Eine Kerze brannte
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