Fesseln der Sünde
besitzergreifend um ihren Arm. »Sie geht, ohne dass ihr ein Haar gekrümmt wird. Oder der Handel hat sich erledigt.«
Felix wies Hubert mit einer Handbewegung zu Gideon. »Nun gut, wir werden ihr kein Haar krümmen. Aber nur, wenn wir dich dafür schön fesseln.«
Charis wartete auf einen Einwand von Gideon, doch er sagte nur: »Lass mich Lady Charis meinen Mantel geben. Das Wetter schlägt um.«
Felix nickte kurz. »Keine Tricks. Ich kann dir auch wehtun, ohne dich umzubringen.«
»Ich werde es mir merken«, sagte Gideon trocken.
Er ließ Charis los und entledigte sich schnell seines Mantels. Als er ihn ihr über die Schultern legte, ging sie fast darin unter. Sofort hüllte Wärme sie ein. Und Gideons Duft. Wie absurd, dass ihr wankender Entschluss dadurch bestärkt wurde.
Gideon strich mit einem Finger seiner behandschuhten Hand über ihre Wange und lächelte. »Wie in alten Zeiten.«
Ihre Haut prickelte unter der Berührung. Seine Worte erinnerten sie an ihre gemeinsame Geschichte von Gefahr und Überleben. Sie wünschte, sie könnte aus dieser Tatsache Trost ziehen. »Sei vorsichtig, Gideon«, flüsterte sie. Angst und Liebe schnürten ihr die Kehle zu.
Er schritt an ihr vorbei. Charis unterdrückte einen Protest, während Hubert Gideons Hände packte und sie grob auf seinen Rücken zerrte. Ihr Ehemann stand starr, leistete aber keinen Widerstand. Könnte diese Berührung durch Huberts Hand einen Anfall auslösen? Bitte nicht.
Wie konnte Gideon das nur ertragen? Er musste wissen, was die Brüder mit ihm vorhatten. Sein unerschrockener Mut brachte ihre angeschlagene Selbstbeherrschung gefährlich ins Wanken. Ihr Bauch zog sich vor Schmerz zusammen. Er übergab sich der Folter, nur um sie zu retten. Sie hatte das Gefühl, ihn mit ihren eigenen Händen wieder in das Loch von Rangapindhi zu werfen.
Als Gideon sie anschaute, musste er in ihren Augen gelesen haben, wie sie in ihrem Entschluss wankte. »Zieh den Mantel richtig an. Du hast einen ziemlich anstrengenden Ritt vor dir.« Er klang, als würde er sie zu einem morgendlichen Ausritt losschicken. Sie schuldete es ihm, Penrhyn zu erreichen und ihn zu retten.
Sie straffte ihren Rücken. Ihr Blick ruhte auf seinem Gesicht, während sie sich jeden einzelnen geliebten Gesichtszug einprägte. Seine glühenden Augen, seine gerade, stolze Nase, sein vor gezügelter Wut angespannter, leidenschaftlicher Mund. Hinter seinem gefassten Äußeren schäumte er vor Wut, das wusste sie. Sie wollte, dass er wütend blieb. Das heftige Gefühl mochte in der Lage sein, seine bösen Geister in Schach zu halten.
»Auf Wiedersehen, mein Liebster«, sagte sie heiser.
Er schaute sie an. »Behüt dich Gott, Charis.«
»Los jetzt«, pfiff Felix sie an und packte sie beim Arm. Sein Griff tat selbst durch den dicken Wollärmel des Mantels noch weh. »Hier bricht bald die Hölle aus.«
»Lass sie los«, sagte Gideon in einem leisen, gefährlichen Ton.
Obwohl die Brüder bewaffnet waren und Gideon gefesselt, fiel Felix’ Hand automatisch von ihr ab. Charis warf Gideon einen dankbaren Blick zu, raffte dann ihre Röcke und folgte Felix.
Hier konnte sie für Gideon nichts mehr tun. Hoffentlich konnte sie ihm helfen, wenn sie erst einmal frei war.
Obwohl sie dringend Penrhyn erreichen musste, weilte ihr Blick noch ein letztes Mal auf ihrem Mann, als sie die steile Böschung hinunterkletterte, um an dem ungestürzten Baum vorbeizukommen. Gideon überragte Hubert und stand groß, stolz und ungeschlagen da. Kein Zeichen der Angst oder Schwäche war in seinen unbeweglichen Gesichtszügen zu erkennen.
Sie warf ihm einen glühenden Blick zu, mit dem sie ihn wissen ließ, dass er stark sein sollte, und ihm versprach, ihn zu retten, wie er sie gerettet hatte. Dann schoben sich die Äste des Baumes vor ihn, und er verschwand aus ihrem Blickfeld.
Zwei Pferde waren im Unterholz angebunden. Auf keinem der beiden befand sich ein Damensattel.
Sie hatte seit ihrer Mädchenzeit auf Marley Place nicht mehr im Herrensitz geritten. Es würde mit all den Röcken und auf einem fremden Pferd schwierig werden. Besonders bei einem Wetter, das von Sekunde zu Sekunde schlimmer wurde.
Es goss inzwischen in Strömen. Felix war nass bis auf die Haut, und Charis zitterte, da ihr Eiswasser den Nacken hinunterlief. Ihre Haube war ein einziges durchweichtes, zu nichts zu gebrauchendes Durcheinander. Mit zittrigen Händen riss sie an den Bändern und zerrte sie herunter.
»Woher willst du wissen, wann die
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