Fesseln der Sünde
meinst du nicht so, Liebchen.« Sein Gesäusel machte ihr mehr Angst als seine Verärgerung zuvor. Ihr Magen zog sich vor Furcht zusammen.
»Los, nimm sie dir schon, Jack«, drängte ihn einer der Männer mit kehliger Stimme.
Verzweifelt versuchte sie, nach der kleinen Waffe zu greifen, doch sie glitt ihr immer wieder weg. Sie streckte die Hand danach aus, aber bei der geringsten Bewegung zog ihr Haar in seiner Pranke unerträglich.
»Ich schreie, wenn Sie mich anfassen.« Ihr versagte die Stimme.
Das anzügliche Grinsen des Mannes zeugte von unerschütterlichem Selbstbewusstsein. Sein brutaler Griff wurde fester, bis ihr die Tränen in die Augen schossen. »Das hättest du längst schon gemacht, wenn du geglaubt hättest, es würd dir was bringen.«
Sie hatte auf der Straße verhängnisvollerweise einen Moment zu lange gezögert, um nach Hilfe zu schreien. Zeit genug für die Kerle, sie in die nach Urin und verfaulendem Abfall stinkende Gasse zu drängen.
Charis riss den Mund auf, um zu schreien, doch es kam nur ein Winseln heraus, als der Mann an ihrem Haar riss. »Halt die Schnauze, du Schlampe.«
»Lassen Sie mich gehen«, krächzte sie und tastete immer noch nach der Waffe, doch ihre zitternde, feuchte Hand fand keinen Halt an dem Perlmuttgriff. Ihr Herz schlug so wild gegen ihre Rippen, dass sie dachte, es müsste zerspringen.
»Gut, ich lass dich gehen.« Der kräftige Seemann schmatzte mit seinen dicken Lippen, als betrachtete er eine herzhafte Mahlzeit. »Wenn ich genug von dir habe. Und du die verdammten Widerworte sein lässt. Ansonsten dreh ich dir den Hals um, Süße.«
Das Blut gefror Charis vor Angst und Verzweiflung in den Adern. Der Tod lag kalt und fühlbar in der Luft. Es gab keine Hoffnung mehr. Ihre ganzen Mühen, ihr ganzes Leid, ihr ganzer Widerstand hatte hierzu geführt. Zu Lady Charis Weston, vergewaltigt und ermordet in einer zwielichtigen Gasse einer Hafenstadt.
»Lass sie in Ruhe.«
Der Befehl schallte durch die Luft wie ein Säbelhieb und riss Charis aus ihrer blinden Angst. Sir Gideon war hier. Sie war in Sicherheit. Sie war in Sicherheit.
Ihr rasender Puls nahm den langsameren Rhythmus einer freudigen Dankeshymne an. Zum ersten Mal, seit sie aus dem Gasthaus geflohen war, atmete sie wieder befreit durch, um gleich darauf aufzustöhnen, da ihre geprellten Rippen sich bemerkbar machten. Sofort wurde sie sich ihrer Schmerzen wieder bewusst, die von den Schlägen des vorherigen Tages stammten. Ihr verstauchter Arm pochte schmerzhaft.
Der Anführer ließ von ihrem Haar ab. Der brennende Druck an ihrem Kopf wurde weniger. Sie stürzte gegen die Wand, während eine schwindelerregende Welle der Erleichterung über sie hinwegschwappte.
Er trat beiseite, um sich dem Mann am Ende der Straße zu stellen. Endlich konnte sie Gideon richtig sehen. Sie zitterte, als sie das perfekte, unbarmherzige Gesicht erblickte. Zorn brannte in seinen Augen. Er sah stark, tapfer und beherrscht aus. Tödlich.
»Geh weiter, Kumpel.« Der Seemann verschränkte die Arme vor seiner sich wölbenden Brust. Er war kräftiger gebaut als Gideon, stämmig und muskulös. Die Kumpane des Schurken bildeten eine schützende Barriere um ihn.
»Lass sie in Ruhe!« Gideon schritt näher und klang dabei vollkommen unbeeindruckt von den sich ihm entgegenstellenden Männern und ihrer Kraft. Seine Stimme war kälter als der Wind, der durch die enge Gasse pfiff.
Der Anführer lachte grunzend und verächtlich. »Wer sollte mich denn dazu zwingen? Du etwa, du hübsches Bübchen?«
Ganz ruhig hob Gideon die Hand. Das klare Winterlicht schimmerte auf dem glänzenden Lauf der Pistole.
»Ach, wie nett.« Der Anführer warf einen verächtlichen Blick auf die Waffe, selbst als seine Kumpane sich wegschlichen. »Du vergisst, wir sind zu viert.«
»Ich denke, wenn ich dich erschieße, wird deinen Freunden der Blutdurst schnell vergehen.« Er hörte sich gleichmütig und unerschrocken an. Seine selbstlose Tapferkeit ließ Charis’ Herz einen Sprung machen. »Mach bloß keinen Fehler! Wenn du die Dame nicht gehen lässt, werde ich schießen.«
Langsam erwachte Charis aus dem Zustand der Lähmung und sog frischen Atem in ihre Lungen. Endlich umschlossen ihre Finger fest den Handgriff ihrer Pistole.
»Aber nicht, wenn sich mir zuerst die Möglichkeit bietet«, sagte sie heiser. Sie zückte ihre Waffe. Die Pistole lag perfekt in ihrer Hand, als wäre sie eine Verlängerung ihres Armes. »Zur Seite.«
»Mist, wo kommt die denn
Weitere Kostenlose Bücher