Fesseln der Sünde
das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen, bevor er einen Narren aus sich machte. Er zog ein Ballkleid aus Satin hervor, dessen kräftiger Pfirsichton im Kerzenlicht leuchtete.
»Das aber auch nicht.« Sarahs Stimme hörte sich heiserer als gewohnt an. O Gott, als wäre sie gerade aus dem Bett gestiegen. Seine Hände griffen in den glatten Stoff.
»Das muss aus ihrer Saison in London stammen.« Immer noch bemühte er sich, locker und gleichgültig zu klingen. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass Sarah sein Interesse an ihr entdeckte. »Mein Vater verkehrte nicht in der Gesellschaft. Zumindest nicht in einer, die er meiner Mutter vorstellte. Penrhyn bot ihr kaum Gelegenheit, ein Kleid wie dieses zu tragen.«
Die Kleider waren allesamt zu fein, um von Sarah im Haus getragen zu werden. Gideon packte sie wieder in die Truhe, seine Hände verweilten auf den edlen Stoffen. Er wusste, es war nur Einbildung, doch ein Hauch der Wärme dieses hübschen, lachenden Mädchens, des gefeierten Mittelpunkts der Londoner Gesellschaft, blieb. Er schloss den Deckel und wandte sich der nächsten Truhe zu.
So wie bei der anderen Truhe lagen die Accessoires oben auf. Er wühlte sie schnell durch und gab Sarah ein Paar feste Halbstiefel. »Schauen Sie doch mal, ob die passen.«
Das erste Kleid, das er herauszog, war ein Tageskleid aus durchbrochenem Musselin. Er stand auf, drehte sich um und wünschte sich sofort, sich nicht vom Fleck gerührt zu haben.
Sarah saß auf der Truhe, die sie bereits durchgeschaut hatten, und zog den Schuh über ihren Fuß. Unter ihren nach oben verrutschten Röcken zeigten sich zwei schlanke Fesseln. Ihre weißen, reizvollen Unterröcke plusterten sich um ihre wohlgeformten Waden auf. Ihr dicker, geflochtener Zopf hing über eine Schulter und baumelte zwischen ihren Brüsten. Als sie sich nach vorne beugte, klaffte ihr Oberteil auf und offenbarte die zarte Haut ihres Brustansatzes.
Sein Mund wurde mit einem Mal trocken. Das Herz schlug ihm wild gegen die Rippen. Sein Verlangen, dieses Mädchen auf den staubigen Boden zu zerren, machte ihn schwindelig. Sein Bedürfnis zu fliehen wurde unerträglich.
Er musste einen Laut von sich gegeben haben, denn sie schaute aufgeschreckt in seine Richtung. »Gideon?«
Nur sein Name. Eine leise Frage. So wie er irgendwann begonnen hatte, sie Sarah zu nennen, hatte sie irgendwann begonnen, ihn Gideon zu nennen. Er drehte sich ruckartig um und kniete sich vor die offene Truhe. Sein Atem rasselte laut in seinen Ohren, während er gegen den quälenden Zwiespalt in seinem Inneren kämpfte.
Er konnte sie nicht berühren. Egal wie sehr er es auch wollte. Er wusste, was passieren würde. Er würde sie verängstigen, und sie würde sich voller Ekel von ihm abwenden.
Er kramte in der Truhe und schob das erste Kleid grob beiseite. Ohne hinzusehen, griff er nach etwas und hielt es in Sarahs Richtung.
»Wie wär’s damit?«, stieß er aus und schaute sie immer noch nicht an.
»Ich denke …« Sie hielt inne, und er spürte, wie sie das Kleidungsstück aus seinen Händen nahm. »Ich denke, wenn ich die Dienerschaft nicht schockieren soll, bräuchte ich schon etwas aus festerem Stoff.«
Er holte tief Luft und blinzelte, um den Schleier von seinen Augen zu vertreiben. Dann drehte er sich vorsichtig um. Sie stand da und beobachtete ihn mit einer Mischung aus Begierde und Bangen. Der Stiefel war umgekippt und lag auf dem Boden neben der Truhe. Sie hielt ein dünnes Unterhemd in ihren Händen.
Gott möge ihm Stärke geben. Er wollte sich diesen bloßen Fetzen cremefarbener Seide an Sarahs geschmeidigem Körper einfach nicht vorstellen. Er weigerte sich.
Gideon biss die Zähne zusammen, bis sein Kiefer schmerzte, und versuchte, die unzüchtigen Gedanken, die in seinem Kopf umherschwirrten, zu vertreiben. Sein Gesicht begann zu jucken, als eine nicht aufzuhaltende Hitze in ihm aufstieg. Er benahm sich wie ein verdammter Narr.
Ihre Stimme hatte hell, amüsiert geklungen. Vielleicht hatte sie seinen inneren Aufruhr nicht bemerkt. Dann schaute er in ihre haselnussbraunen Augen und las darin ihr geheimes Wissen. Sie spürte, er reagierte auf sie, wie ein Mann auf eine Frau reagierte. Sie war darüber erschrocken - Angst lag auch in ihrem Blick -, aber doch nicht so, dass sie nach unten fliehen wollte.
»Entschuldigung.« Seine Stimme klang heiser. »Ich wollte Ihnen das hier geben.«
Er reichte ihr unbeholfen das Kleid aus Musselin. Sie wagte sich
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