Fesseln der Sünde
anderen auch.« Gideon unterdrückte seine eigene jungenhafte Faszination, die er für seinen verwegenen Ahnen hegte. Törichte Romantik hatte ihm schon alles genommen, was das Leben lebenswert machte.
Ihr Lächeln verblasste. »Nein. Sie verband eine große Leidenschaft, und so war ihr gemeinsames Leben ein großes Abenteuer.« Anscheinend dachte sie, er wollte wohl eher für eine nüchterne Interpretation plädieren, denn sie fuhr schnell fort. »Gibt es ein Bild von Doña Ana?«
Gideon deutete auf die gegenüberliegende Wand. Die kleine Holztafel zeigte eine untersetzte Frau in einem nicht sehr vorteilhaften Kleid aus der Zeit der Regentschaft von James Stuart. »Da.«
Sarah verbrachte einige Zeit damit, das füllige und faltige Gesicht der Frau zu betrachten. Er stellte sich hinter sie, jedoch nicht so nahe, dass er von ihr berührt werden konnte. »Sind Sie enttäuscht?«
Das musste sie wohl, denn das schönste Mädchen des spanischen Reiches hatte sich mit den Jahren in eine Matrone verwandelt. Falls Doña Ana überhaupt jemals schön gewesen sein sollte. Vielleicht schmückte die Familiensage diesen Teil der Geschichte einfach nur aus. Vielleicht hatte Jack dieses kleine Huhn auch nur geheiratet, um sich das spanische Gold zu sichern. Der Reichtum, den die Galeone ihm erbracht hatte, war überaus real und in dem untergehenden Glanz von Penrhyn immer noch zu erkennen.
»Nein, ich bin nicht enttäuscht«, erwiderte Sarah leise und drehte sich zu ihm hin. »Sie sieht aus, als hätte sie ein glückliches Leben geführt, obwohl sie weit weg von ihrem Zuhause und ihrer Familie war. Sie muss ihren ungestümen Mann und ihre Kinderschar sehr geliebt haben.«
In diesem staubigen Raum mit seinem schönen Parkettboden, der dunklen Wandvertäfelung und den aufwändigen Stuckdecken war Sarah das einzig wahrhaftig Lebendige. Sie brannte wie eine Flamme. Er verschlang sie mit seinen Augen. Ihr seidiges Haar war zu einem Zopf geflochten. Ihre großen Augen glänzten. Unter ihrem schäbigen Kleid zeichneten sich die Verlockungen ihres Körpers ab.
Unter ihrem schäbigen, zerrissenen, schmutzigen Kleid.
Er blickte finster. »O Gott, was haben Sie da eigentlich an?«
Ihre Wangen überzog ein zartes Rot, und sie strich selbstbewusst über ihre ausgebleichten Röcke. »Mehr habe ich nicht zu bieten.«
»Ich habe die Hauswirtschafterin doch gebeten, Ihnen etwas zu geben.«
Sie verzog das Gesicht. »Mrs Pollett ist dreimal so dick wie ich. Sie hat mir einige ihrer Kleider ausgeliehen, doch nichts davon passt mir. Das Nachthemd war so groß, dass es immer herunterrutschte.«
Er wurde steif. Überall. Dunkelheit erfasste seinen Blick. In seinen Gedanken flammten glühende Bilder von Sarah auf, in denen ihr Unterhemd mit einem sinnlichen Flüstern zu Boden glitt und sie nackt, schön und bereit für ihn vor ihm stand.
Er räusperte sich, ballte die Fäuste und kämpfte um Beherrschung.
Ihre Gesichtsfarbe wurde noch dunkler, und sie hob die Hände an ihre Wangen. »Das hätte ich nicht sagen sollen.«
Gideon schluckte und bemühte sich, an nicht so erregende Dinge zu denken. Radieschen, Rüben, Kohlköpfe, Möhren.
Nein, keine Möhren.
»Nein …« Er räusperte sich noch einmal. »Nein, hätten Sie nicht.«
»Sie werden es nicht glauben, aber ich habe eine gute Kinderstube genossen und bin anständig erzogen worden.«
Er wusste ganz genau, welche unanständigen Dinge er gerne mit ihr tun würde, wäre er ein ganzer Mann und dazu fähig, sein Verlangen in Taten umzusetzen.
Er bemühte sich um einen normalen Ton, da ihm wieder schamlose Bilder von Sarah durch den Kopf schossen, wie sie nackt und erwartungsvoll vor ihm stand. »Die Kleider meiner Mutter liegen verpackt auf dem Dachboden. Möchten Sie gerne nachsehen, ob Ihnen etwas davon passt? Sie können ja schlecht die nächsten Wochen in diesem Lumpen herumlaufen.«
Sarah zeigte auf ein Bild in einem Goldrahmen, das den Gang etwas weiter hinunter an der gleichen Wand hing wie das von Black Jack. »Ist das Ihre Mutter?«
»Ja.«
Als ob er es gewusst hätte, schlenderte sie zu dem vortrefflich gemalten Bild und stellte sich davor. Die Frau in dem Porträt trug eines der am Ende des letzten Jahrhunderts beliebten halbtransparenten Kleider. Blonde Locken rahmten sanft ihr zartes Gesicht ein.
»Sie ist sehr hübsch.«
»Sie soll in ihrer ersten Saison alle anderen Frauen in den Schatten gestellt haben. Sie war erst achtzehn, als sie meinen Vater heiratete.«
»Ist
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