Fesseln der Unvergaenglichkeit
diese Zeit in der Küche. Die Dhampyre, die sich vorwiegend von Fleisch ernährten, arbeiteten seit vielen Jahren bei den Viscontis.
Die Bibliothek, der Lieblingsort seines Vaters, lag vor ihm.
»Guten Morgen, Leonardo.« Joanne kam den Gang entlang und lächelte ihn an. »Du hast mich vernachlässigt. Bist du mir untreu geworden?«
Leonardo schüttelte den Kopf.
Joanne sah ihn entsetzt an. »Hast du die ganze Zeit nichts getrunken? Das ist gefährlich, du könntest in die Versuchung kommen, dich von Menschen zu nähren.«
»Ich hatte keine Zeit, aber du hast recht, es war unvorsichtig von mir.« Leonardo leckte sich über seine Lippen. Er roch ihr Blut und Verlangen ergriff ihn, zog ihn in einen Strudel aus Begierde und Lust, nach dem aromatischen Blut, das durch die Venen der Eingeweihten floss.
Er näherte sich ihr langsam wie ein hungriger Löwe, legte seine Hände auf ihren Hals und bog ihn nach hinten. Ihre Vene schimmerte bläulich unter der weißen Haut.
Leonardo keuchte. Die Erregung, die ihn beim Anblick des pulsierenden Halbbogens ergriff, ließ sich mit nichts vergleichen. Er leckte über ihren weichen Hals und zögerte seine Gier bis ins Unerträgliche hinaus. Knurrend schlug er mit einer heftigen Bewegung seine Zähne in die Vene und fing mit großen Zügen die Fontäne auf, die ihm entgegenschoss.
Er bevorzugte Joanne, um sich zu nähren. Ihr Brombeerduft stach ihm schwer und süß in die Nase, wenn er von ihr trank. Sie stöhnte leise. Dhampyre genossen es, wenn Vampire sich von ihnen nährten.
»Trink so viel, wie du willst.« Joanne besaß eine kräftige Statur und Leonardo hatte noch nie erlebt, dass der Blutverlust sie geschwächt hätte. Die warme Flüssigkeit verteilte sich in seinem Kreislauf und belebte jede Faser seines Körpers. Er trank, bis seine Kraft zurückkehrte, und versiegelte dann ihre Wunde.
»Danke Joanne.«
Sie stützte ihre Arme in ihre Seiten. »Ich möchte dich nicht erst in drei Tagen wiedersehen.«
Leonardo grinste. »Versprochen.« Er warf ihr eine Kusshand zu und ging zurück ins Wohnzimmer. Die Sonne malte Muster auf das Parkett und Leonardo blieb stehen. Aiyanas Seele glich diesen Lichtspielen. Er musste sie sehen, bevor er zu Kaliope ging. Lautlos durchquerte er den Raum. Hoffentlich hatte Aiyana die Nacht gut überstanden. Er hätte sie nicht allein lassen dürfen, doch er wollte sie gestern Abend nicht mit dem Angebot, bei ihr zu bleiben, erschrecken. Eilig stürzte er in sein Zimmer, schlüpfte in seine Lieblingsjeans, stülpte den dunkelblauen Pullover über sein weißes T-Shirt und verließ die Residenz. Die Morgensonne beleuchtete den stahlblauen Himmel, der nur im Herbst diese ungewöhnliche Farbe zeigte. Hatte Aiyana über ihn nachgedacht? Er hatte ihren fragenden Seitenblick bemerkt, als Juri ihr von dem Unfall erzählte. Sie durfte sich nic ht vor ihm fürchten, denn er wollte sie wiedersehen.
*
Aiyana stieg aus ihrem Bett und ging gebeugt ins Badezimmer. Der Schmerz in ihrem Rücken pochte. Im Traum hatte Doktor Weser ihr erklärt, sie sei gelähmt. Sie setzte sich vorsichtig auf den runden Hocker und atmete erleichtert aus. Ohne Leonardo wären die Unfallfolgen schrecklich gewesen. Sie legte die Arme um ihren Körper und ignorierte den Schmerz in ihrem Rücken. Dankbar betrachtete sie ihre Füße, die sich streckten, als warteten sie nur darauf, in Spitzenschuhe gesteckt zu werden. Sie musste sich heute bei Leonardo erneut bedanken. Sie sah an sich hinunter. Im Pyjama konnte sie ihn nicht begrüßen. Hastig erhob sie sich und zuckte mit einem unterdrückten Laut zusammen. Langsam kämpfte sie sich zum Spiegel vor, putzte ihre Zähne und band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz, den sie sofort wieder öffnete. Sie sah ihr Spiegelbild an. Ihr Magen zog sich zu einem Knäuel zusammen und ihr Körper vibrierte vor Nervosität. Wie Leonardo sie angesehen hatte, bevor er sie verließ. Für einen Moment hatte sie gedacht, er würde umkehren. In seinem Blick lag eine ungezähmte Leidenschaft, die auch in ihr schlummerte, und die sie tief in ihrer Seele verborgen hielt. Ihr Rücken schmerzte, als sie sich in die Jeans zwängte und vorsichtig einen Pullover über den Kopf zog.
Es klingelte.
Sie ging zur Tür, ihr Herz klopfte, und die Erregung ließ ihr das Blut in die Wangen schießen. Leonardo hielt sein Versprechen und kam. Sie öffnete die Tür und sah ihn an. Seine Schönheit war atemberaubend. Die Augen wirkten dunkler als gestern, und
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