Fesseln der Unvergaenglichkeit
verzweifelt geklungen. Komm herein, damit wir sofort beginnen können.«
Er folgte ihr in das Haus, das von außen klein wirkte. Doch der Eindruck täuschte. Sie durchschritten eine Eingangshalle, die sehr hoch wirkte.
Kaliope öffnete eine Tür und sie betraten einen sonnendurchfluteten Raum, der mit hellem Holz verkleidet war. Die Mitte hatte Kaliope leer gelassen. An der Wand stand ein schmaler Tisch aus weißem Marmor. Kelche, Dolche, Steine und Federn lagen unordentlich auf der schimmernden Oberfläche verteilt. Leonardo beobachtete Kaliope, die wie ein Kristall den Raum mit ihrer schimmernden Präsenz ausfüllte. Hoffnung keimte in ihm auf. Als er den Frevel beging, der den Fluch auslöste, tat er dies mit einem reinen Herzen. Kaliope würde hoffentlich diesen Umstand berücksichtigen, wenn sie ein Urteil fällte. Er wusste, dass ein Fluch unter der Anleitung einer Lix aufgelöst werden konnte. Kaliope legte zwei Kissen auf den hellen Parkettboden.
»Komm, ich möchte dir gern helfen, damit du die Kraft findest, dein Hindernis selbst zu überwinden. Setz dich.
»Ich befinde mich in einer furchtbaren Lage«, sagte Leonardo heiser.
»Wir werden sehen, was wir tun können.«
Leonardo setzte sich langsam auf das Kissen.
»Schildere mir bitte in kurzen Worten dein Anliegen, damit ich weiß, welches Ritual ich wählen muss.« Kaliope setzte sich ihm gegenüber.
Leonardos Zunge klebte am Gaumen. Er brachte die Worte, die das Ende der Familie Visconti bedeuteten, nicht über die Lippen.
Kaliope stand auf und holte einen Dolch. »Ich werde deine Seele befreien und deine Angst durchtrennen.« Sie kniete sich neben ihn. »Du must deinen Pullover ausziehen.« Mit der scharfen Klinge ritzte sie ein Kreuz in sein Sternum. Wie bei allen Vampiren floss kein Blut. Ein warmer Strom durchdrang ihn und löste seine Zunge.
»Ich habe die Lix Daphne, meine zukünftige Frau, vor der rituellen Heirat verführt.«
K aliope entwich ein klagender Laut. Sie sprang von ihrem Kissen hoch. »Wie konntest du das tun? Das hat den Fluch über dich gelegt.«
Leonardo stand ebenfalls auf und ergriff Kaliopes Hand. »Können Sie wenigstens meiner Familie helfen?«
Kaliope wich einen Schritt zurück. »Niemand besitzt die Kraft, diesen Fluch rückgängig zu machen. Es ist sinnlos, dich anzuleiten, du würdest nichts ausrichten können.«
Leonardo sah Kaliope wütend an. Er wollte die Wahrheit nicht akzeptieren. Es gab immer einen Ausweg. Kaliope täuschte sich, jeder Fluch konnte verändert werden.
Gebeugt stand sie ihm gegenüber. »Du musst es deiner Familie sagen. Sie haben das Recht, zu erfahren, dass ihr Untergang nur eine Frage der Zeit ist.« Sie sah ihn voller Abscheu an. »Es ist ein furchtbares Vergehen und ich verstehe nicht, warum du dich hast hinreißen lassen.«
Leonardo schüttelte seinen Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern. Ich verstehe nicht, wie es passieren konnte.«
Kaliopes Ausdruck wechselte. »Du warst jung und ungeduldig. Wenn ich in Miami bin, werde ich die Göttin anflehen, Neeles Leben zu verlängern. Für dieses Ritual brauche ich eine Nacht, diese Zeit habe ich jetzt nicht. Ich gebe nicht gern auf, aber ich denke nicht, dass du dir Hoffnungen machen darfst. Es wäre besser, du gehst jetzt nach Hause und sprichst mit deinen Eltern. Du darfst nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen.«
»Danke Kaliope. Neele hatte mir gesagt, dass Sie die Einzige wären, die mich dazu anleiten könnte, den Fluch zu überwinden.«
»In deinem Fall kann ich nichts machen. Es tut mir leid.« Sie sah ihn mitfühlend an und ging zur Haustür.
Leonardo folgte Kaliope. Als er das Haus verließ, traf ihn die Wahrheit wie ein herunterfallender Meteorit. Ein grauer Nebel legte sich über sein Bewusstsein und umhüllte ihn mit seiner zerstörenden Kraft. Seine Gedanken drehten sich ununterbrochen um den Fluch und ein dunkler Strudel riss ihn mit.
Wie war er nach Manhattan gekommen? Was hatte er während der letzten Tage getan? Er stand im Central Park und hatte Durst. Bald musste er trinken. Er roch einen Duft, der seine Blutlust verstärkte. Diesen Geruch kannte Leonardo. Er folgte der Witterung bis zu dem Körper, der am Boden lag. Ihr unvergleichlicher Akazienduft durchbrach den Strudel, der ihn gefangen gehalten hatte, seit er von Kaliope wegging. »Aiyana.«
Sie hob ihren Kopf vom Boden. Ihr Lächeln erstarb. Sie starrte ihn entsetzt an. »Was ist mit dir passiert?«
»Ich weiß es nicht.« Er sagte die Wahrheit.
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