Fesseln der Unvergaenglichkeit
fühle.« Sie versuchte, überzeugend zu wirken, obwohl sie sich nicht sicher war, wie ihr geschwächter Körper reagieren würde.
Tsula erhob sich von ihrem Stuhl. »Isst du nichts mehr? Dann komm. Ich denke, die Steine sind jetzt heiß genug.«
Aiyana folgte Tsula mit vorsichtigen Schritten. Leonardo kam und nahm sie in die Arme. »Ich werde dich tragen, damit du dich nicht überanstrengst.«
Sie wehrte sich nicht, ihre Beine fühlten sich kraftlos an.
Die Schwitzhütte aus Weidengeflecht lag auf einem Hügel hinter dem Reservat. Tsula hatte den Ort ausgesucht. Sie reinigten sich mit dem Rauch des Feuers, zogen ihre Kleider aus und legten sie auf den Altar aus Erde. Tsula hatte einen Mondstein mitgebracht, den sie opferte und Aiyana legte ihre Halskette dazu. Die kuppelförmige Hütte empfing sie. Tsula verschloss den Eingang mit Felldecken. Aiyana spürte die Energie, die sich auf sie übertrug und das Stehen bereitete ihr keine Mühe mehr. Tsula lud mit murmelnden Worten die Ahnen ein. Danach brachte Leonardo den ersten Stein und legte ihn in die Grube in der Mitte der Hütte. Tsula bedeckte den Lavabrocken mit Kräutern und übergoss ihn mit Wasser. Der Dampf umhüllte Aiyana. Sie wurde mitgetragen, fühlte sich wie ein ungeborenes Kind, das im schützenden Bauch seiner Mutter schlummerte. Ihr Bewusstsein löste sich auf und sie verschmolz mit dem Nebel, der die Hütte ausfüllte. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie wie Dolchstiche, als Leonardo den nächsten Stein brachte. Eine schwere Last drückte sie in die Erde und sie konnte sich nur noch mit Mühe auf ihren Beinen halten. Ihr Symbol pochte und jagte Impulse durch ihren Körper. Aiyana wand sich mit zuckenden Bewegungen, die sich immer mehr steigerten. Sie war der Kraft, die sie ergriffen hatte, hilflos ausgeliefert. Wie Ebbe und Flut rollten krampfartige Wellen durch ihren Körper. Mühsam versuchte sie dem stärker werdenden Zittern standzuhalten, indem sie tiefe, kehlige Laute ausstieß. Ihr Singsang schwoll an und erlöste ihren Körper von den schmerzenden Verkrümmungen. Leonardo brachte mehr Steine und die Hitze in der Hütte wurde beinahe unerträglich. Kleine Schweißtröpfchen liefen ihr über das Gesicht. Tsula nahm ihre Hand. In ihrem Körper breitete sich augenblicklich ein warmer Strahl aus, der jede Faser mit vibrierender Energie füllte. Der Druck fiel von ihr ab und Aiyana überließ sich der Hitze, die sie mit ihren Dämpfen einhüllte. Sie streckte sich und wiegte ihre Hüften, bis Tsula die eingeladenen Ahnen entließ und die Felltür öffnete. Aiyana ging gefolgt von Tsula zum Altar. Die Nachtluft fühlte sich auf ihrer Haut angenehm kühl an und sie schlüpfte nur widerwillig in ihre Kleider. Die Baumwolle fühlte s ich klebrig auf ihrer Haut an. Leonardo stand neben dem Feuer. Er lächelte. »Du siehst besser aus.«
Aiyana nickte. »Ich fühle mich auch besser.«
Tsula trat zu ihm. »Das Ritual hat sie gestärkt. Morgen werden wir die endgültige Wirkung sehen. Ich werde die Nacht hier verbringen und im Feuer herausfinden, wer Aiyana schaden will. Ich habe die starke Energie gespürt, die ihr Leben bedroht.«
»Bist du sicher, dass du allein hierbleiben willst?«
Tsula lächelte. »Ich bin nicht allein, die Natur umgibt mich. Aiyana, du solltest schlafen gehen, damit sich die Reinigung deines Körpers vollenden kann.«
»Danke, Tsula.« Sie umschlang ihre Großmutter und küsste sie.
Tsula zog sie an sich. »Die Ahnen haben dich befreit. Sie sind sehr mächtig. Ich bin nur ihre Dienerin.«
»Tsula, ich lass dich nicht gern hier zurück.«
»Ich bestehe darauf.«
»Aber morgen früh kommen wir dich hier abholen.«
Tsula nickte lächelnd. »Es ist ein schöner Ort, um die Morgenstunden zu begrüßen.« Tsula nahm das Fell, mit dem sie die Schwitzhütte verschlossen hatte, legte es neben dem Feuer auf den Boden und setzte sich. Sie faltete ihre Hände und ihr Blick wandte sich nach innen. Aiyana gab Leonardo ein Zeichen.
Leise entfernten sie sich.
Sie schmiegte sich an Leonardo. »Ich fühle mich so viel besser als vorher.«
»Du hattest recht. Deine Großmutter konnte dir helfen.« Sie gingen zurück zum Haus, das ohne Tsula leer wirkte. Leonardo legte seine Arme um sie. »Ich bestehe darauf, dass du schlafen gehst.«
»Nur wenn du dich neben mich legst.«
»Ich wüsste nichts, was ich lieber täte.«
Aiyana zog ihre Kleider aus, ging ins Badezimmer und nahm eine Dusche. Tsula hatte frische Handtücher hingelegt.
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