Fesseln der Unvergaenglichkeit
Aiyana rubbelte sich ab und putzte ihre Zähne.
Leonardo lag auf dem Bett und lächelte, als sie zurückkam. »Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages in einem Indianerreservat übernachten würde.«
Aiyana legte sich neben ihn. »Ich liebe den Ort. Es ist meine Heimat, auch wenn ich nur kurz hier gelebt habe.«
»Warum bist du nicht hier aufgewachsen?«
Aiyana legte sich auf das Kissen. »Meine Eltern starben, als ich sechs war. Der Alkohol hat sie umgebracht. Meine Großmutter wollte mir eine bessere Zukunft ermöglichen und hat mich zu Pflegeeltern gegeben, damit ich nicht im Reservat aufwuchs. Die Schulen hier sind nicht sehr gut und der Alkohol ist ein großes Problem.«
»Liebst du deine Pflegeeltern?«
»Sie haben mir vieles ermöglicht und ich bin ihnen dankbar dafür. Aber wirklich geliebt habe ich nur meine richtigen Eltern. Ich fühlte mich als Fremde bei meinen weißen Eltern.«
»Wo habt ihr gewohnt?«
»In North Carolina. Dort gibt es eine Ballettschule und meine Pflegemutter wollte, dass ich dahingehe. Ich mochte am Anfang nur den Geruch meiner Ballettschuhe. Er erinnerte mich an das Reservat und an meine Mutter, die Taschen aus Leder angefertigt hatte.«
»Wolltest du immer Tänzerin werden?«
»Nein, erst als ich weiter fortgeschritten war und wir anfingen, ganze Tänze einzustudieren, verstand ich, warum ich die vielen Übungen an der Stange machen musste. Eines Tages habe ich gemerkt, dass ich nicht s anderes mehr tun wollte, als zu tanzen. Die Ballettschule hat mir ein Stipendium angeboten. Das hat meine Pflegeeltern überzeugt und von da an habe ich in der Internatsschule gewohnt.«
»Ich liebe es, dich tanzen zu sehen.« Leonardo zog sie in seine Arme. »Ich könnte dir stundenlang zusehen.«
Aiyana schmiegte sich an ihn und strich über seinen Brustkorb. »Es geht mir wieder sehr gut.«
Leonardo rückte von ihr ab. »Du solltest schlafen und nicht meine Selbstbeherrschung auf die Probe stellen.«
Sie küsste ihn und presste ihren Körper an ihn. »Beweise mir deine Widerstandskraft, starker Vampir.«
Leonardo verschränkte seine Arme. »Du wirst dich wundern, zu was ich fähig bin.«
»Puh, Vampire halten sich immer gleich für unbesiegbar.« Sie verdrehte ihre Augen.
Leonardo zog sie in seine Arme. »Wir sind unbesiegbar.«
»Darüber müssen wir uns unterhalten, wenn ich weniger müde bin. Im Moment gibt es für mich nichts Schöneres, als in deinen Armen einzuschlafen.« Aiyana kuschelte sich an ihn. »Ich habe dich so sehr vermisst, als du in Irland warst. Ich werde dich nie mehr allein weggehen lassen.«
Leonardo küsste sie. »Das trifft sich ausgezeichnet, ich würde dir nämlich nicht erlauben, ohne mich zurückzubleiben. Solange du glaubst, du könntest dich mithilfe deiner Freundin gegen Vampire durchsetzen, muss ich dich beschützen.«
»Du musst zugeben, wir haben das ganz gut hingekriegt.«
»Für Menschen habt ihr Erstaunliches geleistet.«
Sie seufzte und schloss ihre Augen. »Deine Arme sind genau der Ort, wo ich jetzt sein möchte. Es gibt nichts, vor dem ich mich fürchten müsste und keinen Grund, mir zu überlegen, was du gerade tust.« Aiyana schmiegte sich an Leonardos Schulter und glitt in einen unruhigen Schlaf.
Immer wieder schreckte sie aus einem Traum auf, in dem Tsula mit mächtigen schwarzen Wolken kämpfte. Sie umfingen Großmutter und versuchten sie in ein dunkles Loch hinabzustoßen. Sie rannte zu Tsula und versuchte sie zurückzuziehen. Tsula wurde weiter hinuntergezogen, aber sie gab nicht auf. Sie klammerte sich an den geliebten Körper und stieß vor Anstrengung einen tiefen Laut aus.
Sie wachte auf und war erleichtert, dass Leonardo neben ihr lag.
Er zog sie in seine Arme. »Guten Morgen, mein Engel. Wie geht es dir?«
Sie zitterte. »Ich hatte einen furchtbaren Traum. Tsula ist in Gefahr. Wir müssen zu ihr gehen, um nachzusehen.«
»Möchtest du vorher nicht etwas essen?«
»Ich werde mir einen von Tsulas selbst gemachten Getreidestängeln mitnehmen.«
Sie verließen das Haus im Zwielicht der Morgenstunde. Das Reservat lag ruhig vor ihnen. Sie eilten in Richtung des Hügels. Vereinzelt trafen sie verschlafene Bewohner, die Leonardo neugierig musterten. Er wirkte in seinen schwarzen Hosen und seinem beigefarbenen Cashmerepullover wie ein Fremdkörper.
Sie sahen Tsula schon von Weitem. Sie lag auf ihrer Felldecke. Sie schlief und schien das Feuer vergessen zu haben, das nur noch schwach glühte. Aiyana beugte sich über sie
Weitere Kostenlose Bücher