Fesseln des Herzens
der Frau, damit ich sie ansprechen kann.«
»Janet«, entgegnete der Baron, und zum ersten Mal hörte Aimee in seiner Stimme so etwas wie Furcht.
»Janet, könnt Ihr mich hören?«
»Ja«, kam es schwach als Antwort.
»Ich werde Euch jetzt schneiden müssen, aber der Schmerz wird nicht schlimmer sein als die Geburt selbst.«
Selbst wenn Janet etwas dagegen gehabt hätte, hätte sie sich nicht wehren können.
»Haltet sie fest«, wies sie die beiden Frauen an, die die werdende Mutter stützten. Dann machte sie sich ans Werk.
Noch immer betete sie leise, dass dieser Schoß nur ein Kind beherbergen möge. Nachdem der Schnitt getan war, versuchte sie erneut, den Kopf des Kindes zu erfühlen.
»Und jetzt pressen!«, rief sie der Gebärenden zu.
Janet nahm all ihre Kraft zusammen. Ihr Körper zitterte kraftlos, ihr Atem drang gepresst aus ihrer Kehle, ein leises Stöhnen entrang sich ihr, dann ein Schrei.
Im nächsten Augenblick erschien der Kopf des Kindes vor Aimee. Sie ergriff ihn sanft, und während sich ein Blutschwall über ihre Arme und ihr Kleid ergoss, zog sie den kleinen Körper aus dem Leib seiner Mutter.
»Ein Mädchen, Mylord, es ist ein Mädchen!«, rief sie und drehte das Kind herum.
»Sorgt dafür, dass die Mutter wach bleibt!«, wies sie die Frauen an und betrachtete dann das Kind. Es wirkte ein wenig bläulich und schlaff, aber als sie ihm einen Klaps auf den Hintern versetzte, fing es an zu schreien.
Im selben Augenblick splitterte die Tür.
Woodward sprang erschrocken zurück, als der Türflügel aufsprang. Vergebens griff er nach seinem Dolch, während seine Begleiter ihre Schwerter zogen.
Aimee wirbelte herum und erkannte zwischen den Hereinstürmenden das Gesicht des Barons.
»Haltet ein!«, rief sie, begleitet vom Geschrei des Kindes. »Ihr wollt Euch doch angesichts eines neugeborenen Kindes und einer Wöchnerin nicht schlagen!«
Die Männer wirkten zunächst nicht so, als wollten sie etwas auf die Worte der Schäferin geben. Aber da das Kind weiterhin schrie und die beiden Frauen ängstlich zu wimmern begannen, hielten sie inne.
»Führt Euren Kampf draußen weiter, aber verschont die Mutter und ihr Kind!«, rief die Hebamme, und ihr Blick fiel auf Ravencroft.
Dessen Gesicht verlor sofort seinen zornigen Ausdruck. Auch Woodward wirkte nun, als würde er zur Besinnung kommen.
Zu Aimees großer Überraschung folgten die Männer ihrer Aufforderung nicht.
»Woodward!«, rief Ravencroft seinem Nachbarn zu. »Gebt Aimee frei, und wir ziehen uns zurück. Alles, was ich will, ist sie!«
Der Baron zögerte, und plötzlich schrie die Schäferin auf, denn sie hatte eine Bewegung hinter Ravencroft wahrgenommen.
»Fellows, nein!«
Als George of Ravencroft herumwirbelte, erblickte er seinen ehemaligen Hauptmann, der gerade die Armbrust auf ihn anlegte. Ehe Ravencroft etwas sagen konnte, schnellte ihm der Bolzen entgegen.
»Aimee, runter!«, rief er, und die Schäferin reagierte blitzschnell.
Auch der Baron bewegte sich, allerdings nicht schnell genug. Der Bolzen durchschlug den Ärmel seines Wamses und schrammte über seinen linken Oberarm. Wenig später schlug der Metallpfeil in den Pfosten ein, vor dem Aimee gerade noch gestanden hatte.
Die Frauen, die Woodwards Geliebter beistanden, schrien auf und stoben auseinander. Just in dem Augenblick reagierte Ravencroft. Er riss einen Arm hoch und warf sein Schwert. Die Klinge sollte Fellows eigentlich nur an der Schulter treffen, um ihn kampfunfähig zu machen. Doch der Hauptmann sprang auf die falsche Seite, wodurch ihn das Schwert mitten in die Brust traf und zurückschleuderte.
Stöhnend ging er zu Boden, und der Baron eilte sogleich zu ihm.
Der ehemalige Hauptmann war noch am Leben, aber das Schwert war seinem Herzen so nahe, dass es keine Rettung mehr für ihn gab.
»Warum, Henry?«, fragte Ravencroft, während er ihn stützte.
»Fahrt zur Hölle!«, presste Fellows hervor, dann verließen ihn die Kräfte. Mit einem letzten schmerzhaften Stöhnen riss er die Augen auf und verschied.
Totenstille folgte. Selbst das Kind auf Aimees Arm war verstummt. Wahrscheinlich hatte es sich ebenso erschrocken wie fast alle hier im Raum.
Die Hebamme richtete sich wieder auf und griff nach einem Tuch, um das Mädchen zu wickeln. Woodward stand mit offenem Mund hinter Ravencroft, der immer noch neben Fellows kniete. Ravencroft richtete das Schwert auf den Burgherrn, so dass die Klingenspitze gefährlich dicht vor seinem Hals ruhte.
»Ihr
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