Fesseln des Herzens
zu Aimee.
Sie erwiderte ihn einen kurzen Augenblick, dann senkte sie die Lider.
Nicole hoffte, ihr Lächeln möge echt genug wirken, damit Ravencroft nicht etwas darin las, das ihn zu weiteren Bekundungen von Besorgnis und Fürsorge anstiftete.
»In der Tat, wir haben uns gut unterhalten.« Nicole warf Aimee einen kurzen, verschwörerischen Blick zu.
»Ich hoffe, ihr habt alles besprochen, was ihr zu besprechen hattet?«, fuhr der Baron fort, und auch er wandte sich erneut der Schäferin zu.
Nicole zog angesichts des Ausdrucks auf seinem Gesicht verwundert die Augenbrauen hoch. Seit wann schenkte ihr Gemahl einer Bediensteten derart viel Aufmerksamkeit? Sicher, die Schäferin sollte die Patin ihres Kindes werden, eine Entscheidung, die sie noch immer nicht verstand, denn Aimee war nichts weiter als eine Untertanin. Dieser Blick war dennoch viel mehr, als es angemessen gewesen wäre.
»Ja, das haben wir«, antwortete sie, während ihre Gedanken in Bewegung gerieten. Sollte es möglich sein, dass mein Gemahl Gefallen an Aimee findet?, fragte sie sich. Und wenn, wie kann ich das zu meinem Vorteil nutzen?
»Gut, dann sollten wir uns für den Kirchgang bereitmachen.« Mit diesen Worten bedeutete Ravencroft Aimee zu gehen.
Nachdem die Schäferin das Gemach der Baronin verlassen hatte, erschauderte sie. Wieder hatte sie daran denken müssen, wie Ravencrofts Atem ihre Brüste gestreift hatte. Da ihr niemand ansehen sollte, welche Verwirrung sie angesichts seiner Blicke ergriffen hatte, folgte sie ein Stück weit dem Gang und lehnte sich an eine der Säulen. Ihr Gesicht brannte wie Feuer. Was hatte das zu bedeuten? Warum fühlte sie so?
»Ist dir nicht wohl?«, ertönte plötzlich eine Stimme von der Seite.
Ohne dass sie ihn wahrgenommen hätte, war Henry Fellows neben ihr aufgetaucht. Der Hauptmann lächelte sie freundlich an, und Aimee bemerkte, dass auch er eine Wandlung durchgemacht zu haben schien.
Am Tage der Niederkunft seiner Herrin hatte er angespannt gewirkt, jetzt wirkte er zufrieden, als sei er selbst Vater geworden. Oder hatte er sich gar verliebt? Auf der Burg und auch im Dorf gab es so manches hübsche Mädchen, das sich gefreut hätte, sich einen Mann wie ihn zu angeln.
»Doch, doch, mir ist wohl«, antwortete Aimee und zwang sich zu einem Lächeln. »Ich bin nur ein wenig aufgeregt. Das Leben auf der Burg ist neu für mich, wie Ihr vielleicht wisst, bin ich lieber in meinem Turm.«
»Du wirst dich an das Leben hier gewöhnen müssen«, entgegnete Henry Fellows freundlich. »Der Baron ist ein sehr fordernder Herr. Er liebt seine Tochter über alles und wird ein strenges Auge auf dich haben. Du solltest niemals nachlässig sein.«
»Das werde ich ganz gewiss nicht.« Aimee straffte sich. Das Gespräch mit dem Soldaten vertrieb das irritierende Herzklopfen. »So gewissenhaft, wie ich meine Schafe hüte, werde ich auch auf das Kind achtgeben.«
»Dass deine Schafe keine Not leiden, habe ich gesehen. Ein Menschenkind ist da schon etwas anderes.«
»Als ob Ihr Ahnung davon hättet, Henry Fellows!«, entgegnete Aimee lachend. »Ich habe schon viele Kinder auf die Welt geholt, da werde ich mich auch darauf verstehen, über sie zu wachen.«
Henry musste zugeben, dass sie recht hatte. Er war ein Mann des Schwertes, während sie sich auf die Kinder verstand. Außerdem war er ihr noch immer dankbar, dass sie seine Herrin gerettet hatte.
»Was die Taufe angeht, brauchst du dich nicht zu beunruhigen«, sagte er freundlich. »Die Anwesenden mögen zwar adlig sein, aber letztlich waschen sie sich auch nur mit Wasser.«
Damit bot er ihr galant seinen Arm an und führte sie auf den Burghof.
Die Burgkapelle übertraf bei weitem alles, was Aimee bislang gesehen hatte. Ein paar Mal war sie mit ihrer Schafherde hier vorbeigezogen, doch das Innere war ihr stets verborgen geblieben.
Jetzt tönte ihr der helle Klang der Glocken entgegen, während sie staunend die Inneneinrichtung betrachtete. Die Bänke waren aus teurem Holz gefertigt, das Altarbild bestand aus purem Gold und kunstvollen Schnitzereien. Durch die prächtigen Bleiglasfenster, die in das Kirchenschiff eingelassen waren, fiel das Licht in einer Vielzahl leuchtender Farben herein. Die Bilder zeigten Szenen aus der Bibel, die Aimee aus den Erzählungen ihrer Mutter kannte.
Im ersten Moment war sie dermaßen fasziniert von dem Anblick, dass sie ganz vergaß, dass sie hier nicht allein war. Sie waren insgesamt vier Paten, zwei Frauen und zwei
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