Fesseln des Herzens
Schatten um ihre Augen und die eingefallenen Wangen sah.
Und das alles nur wegen des Balges!, ging es ihr durch den Sinn. Nur gut, dass die Amme es stillt, sonst würden meine Brüste ebenfalls die Form verlieren und herunterhängen wie bei einem alten Weib.
Enttäuschung hatte sich in ihr breitgemacht, als sie erfahren hatte, dass es nur ein Mädchen war. Sie wusste, was das bedeutete. Sobald sie wieder zu Kräften gekommen war, würde Ravencroft erneut das Bett mit ihr teilen.
Dabei war dies das Letzte, was sie sich wünschte. Sie wollte Ruhe vor ihm, zumal ihr seine Fürsorge auf die Nerven fiel.
In den vergangenen Wochen, die sie meist im Bett ihrer abgedunkelten Kemenate verbracht hatte, hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, was sie wollte.
Auf keinen Fall noch einmal durchleiden, was ich wegen Ravencroft durchlitten habe!, war die erste klare Antwort gewesen. Dass sie bei der Geburt beinahe gestorben wäre, konnte sie ihrem Gemahl einfach nicht verzeihen. Ihre Abneigung gegen ihn war stetig gewachsen, so dass sie sich sehnlichst wünschte, er möge weit fortziehen und für mehrere Jahre nicht zurückkehren.
Den Gefallen würde er ihr allerdings gewiss nicht tun.
Seufzend richtete Nicole den Blick auf den Hof. Sie hoffte, Henry Fellows zu sehen, denn immer wenn sie seine Gestalt erblickte, fühlte sie sich besser. Doch er war nirgends zu entdecken. Stattdessen erblickte sie die ersten Edlen, die sich auf den Kirchgang vorbereiteten, darunter auch ihren Vater. Er hatte darauf verzichtet, seine Mätresse mitzubringen, worüber Nicole ganz froh war, denn sie hasste dieses Weib aus vollem Herzen.
Da sie nun schon bei der Gespielin ihres Vaters war, kam ihr der Gedanke, dass sich ihr Gemahl vielleicht auch eine Mätresse zulegen sollte. Bevor sie ihn jedoch weiterführen konnte, ertönte hinter ihr ein leises Kratzen an der Tür.
»Komm rein!«, rief sie unwirsch und löschte sich vom Fenster. Sie rechnete damit, dass es Celeste war, die sich wieder einmal nach ihren Wünschen erkundigen wollte.
Doch es war Aimee, die wenig später die Kemenate betrat.
»Verzeiht, Mylady. Euer Gemahl bat mich, nach Euch zu schauen.«
Nicole sagte dazu zunächst nichts, sondern betrachtete Aimee nur. Wie hübsch sie ist, ging es ihr durch den Sinn. Mein Vater hätte sie gewiss zu seinem Liebchen gemacht.
Neid auf die Schönheit der Schäferin regte sich in ihr, doch da sie wusste, dass es allein dieser Frau zu verdanken war, dass sie noch lebte, drängte sie ihn zurück.
»Das war sehr freundlich von meinem Gatten«, entgegnete sie und zwang sich zu einem Lächeln. »Tritt näher!«
»Wie geht es Euch, Mylady?«, fragte Aimee, während sie den Blick über das kostbare grüne Brokatgewand schweifen ließ, das die Baronin für die Tauffeier trug.
»Wie es einem Weib geht, dem man ein Kind aus dem Leib gerissen hat«, entgegnete Nicole seufzend.
»Habt Ihr noch Schmerzen?«, fragte die Schäferin weiter.
»Nein, nicht mehr. Dennoch weiß ich nicht, ob ich diese Qual noch einmal durchzustehen vermag.«
»Es ist das Los des Weibes …«, begann Aimee vorsichtig.
Sogleich brauste Nicole auf. »Ein schlimmes Los! Eines, das mich fast umgebracht hätte!« Noch während sie die Worte herausschleuderte, kam ihr eine Idee. Wie wäre es, wenn ich das Mitleid der Hebamme nutzte, damit sie mir hilft, Ravencroft aus meinem Bett fernzuhalten?
Bevor Aimee es verhindern konnte, griff Nicole mit eisigen Händen nach ihr. »Sag mir, wird es bei allen anderen Geburten ebenso sein? Ist es möglich, dass bereits die nächste mich umbringt?«
Aimee senkte den Blick. Natürlich war das möglich! Manche Frauen überstanden zehn und mehr Geburten bei völliger Gesundheit und wurden danach sogar älter als ihre Männer. Andere dagegen starben bereits beim ersten Mal. Auch die Baronin hätte dazugehört, wenn das Glück nicht auf meiner Seite gewesen wäre, dachte Aimee.
»Die ersten Geburten sind immer schwer«, antwortete sie ausweichend. »Aber ich habe es auch schon erlebt, dass die zweite Geburt glücklicher war als die erste.«
Bevor Nicole etwas darauf entgegnen konnte, trat der Baron durch die Tür.
Die Miene seiner Gemahlin verfinsterte sich für einen kurzen Moment, aber weder Aimee noch Ravencroft sollten mitbekommen, wie es in ihrem Herzen aussah. Daher riss sie sich mühsam zusammen.
»Wie ich sehe, unterhaltet ihr euch prächtig«, sagte er und bedachte die Baronin mit einem freudigen Lächeln. Dann wanderte sein Blick
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