Fesseln des Herzens
Gemach.
»Wie geht es Euch, meine Liebe?«, fragte er, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
Er wirkt wie ein Hofmarschall, der einen Gast ankündigen will, dachte Nicole spöttisch bei sich und antwortete dann: »Ich befinde mich wohl, danke der Nachfrage, Mylord.«
»Ihr wirkt irgendwie angespannt«, entgegnete er und trat näher. »Hat das einen bestimmten Grund?«
In der Baronin wuchs der Widerwille. Sie wollte Ravencroft jetzt nicht um sich haben. Aber was sollte sie dagegen tun? Dies war seine Burg, und sie war sein Weib.
»Nein, Mylord. Die Taufe hat mich nur ein wenig angestrengt. Wie Ihr wisst, bin ich noch immer etwas schwach.« Sie hoffte, dass er sie in Frieden lassen würde, wenn sie ihre angeschlagene Gesundheit vorschützte.
Anstatt einfach wieder zu gehen, wirkte der Baron entsetzt, und ein besorgter Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht.
»Soll ich den Medikus kommen lassen? Oder Aimee?«
»Nein, ich …« Bevor Nicole weitersprechen konnte, donnerte plötzlich mit großem Getöse eine Kutsche auf den Hof.
Ravencroft unterbrach sogleich die Unterhaltung und eilte ans Fenster. Als er den schweren eisenbeschlagenen Kasten sah, wusste er, wer da gerade das Tor zu seiner Burg durchquert hatte.
Sein alter Feind Woodward!
Er beobachtete, wie die Lakaien von der Kutsche sprangen und die Tür öffneten. Wenig später erschien der Baron.
Wie feist er doch mittlerweile geworden ist, ging es Ravencroft durch den Sinn. Wie ein Schwein, das man in prächtige Gewänder gesteckt hat.
Eigentlich sah er ihn und sein Weib am liebsten von weitem oder gar nicht, aber in diesem Falle war es etwas anderes. Er hatte seinen Nachbarn eingeladen, um ihm zu zeigen, dass er nicht länger erbenlos war. Und um ihm damit zu sagen, dass Woodward sich keine Hoffnung zu machen brauchte, jemals seine Baronie in die Finger zu bekommen.
»Komm, meine Liebe, sieh dir unseren neuen Gast an«, wandte er sich an seine Gemahlin.
Nicole musterte ihn einen Moment lang verwundert, denn eigentlich sollten alle Gäste bereits in der Kirche gewesen sein.
Am Fenster angekommen, erblickte sie einen untersetzten grauhaarigen Mann und eine Frau, die das komplette Gegenteil von ihm war. Schwarzhaarig und so hager, dass ihr Kleid wie eine Fahne um ihren Leib flatterte.
»Der Baron of Woodward und seine Gemahlin«, stellte Ravencroft vor. »Einer der ärgsten Feinde, die ich habe.«
Bei dem Wort Feind horchte Nicole auf. Bislang hatte ihr Gemahl mit keinem Wort erwähnt, dass es da jemanden gab, mit dem er in Fehde lag. Vielleicht würde er irgendwann gegen seinen Feind zu Felde ziehen – wenn es denn einen triftigen Anlass dazu gab …
»Warum hast du diesen Mann eingeladen, wenn er dein Feind ist?«, erkundigte sich Nicole beiläufig.
Ravencroft seufzte. »Es gibt einen alten Streit zwischen unseren Familien. Es ging schon immer um Land und das Vorrecht in diesem Landstrich. Woodwards Vorfahren waren bereits mit meiner Familie verfeindet, als mein Vater noch regierte. Als ich damals mit dem König ins Heilige Land zog, hoffte der alte Woodward darauf, dass ich nicht wiederkehren würde. Als ich es doch tat, griff er unsere Baronie an. Obwohl ich mir geschworen hatte, nicht so schnell wieder in den Krieg zu ziehen, musste ich noch einmal kämpfen – und siegte. Seit Woodwards Sohn regiert, herrscht ein unsicherer Friede zwischen uns. Unser Wettstreit ging vorrangig darum, wer als Erster einen Nachkommen bekommt. Dank dir, meine Liebe, habe ich erneut gewonnen.« Er wandte sich um, ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss darauf.
Nicole zwang sich zu einem Lächeln, um die Gedanken hinter ihrer Stirn zu verschleiern.
Obwohl der Baron die Worte ganz leicht und fast beiläufig gesprochen hatte, schnürten sie Nicole die Kehle zu. Sie war Teil einer Wette gewesen. Natürlich nicht direkt, aber indirekt schon. Indem sie beinahe ihr Leben geopfert hatte, um dieses vermaledeite Kind zu bekommen, hatte sie die Woodwards übertrumpft. Das machte sie zur Zielscheibe des Hasses dieses anderen Barons. Wahrscheinlich musste ihr Gemahl jedes Mal daran denken, wenn er sie und das Kind ansah. Vielleicht freute er sich auch nur deswegen über die Geburt.
Nicole verbarg ihre Enttäuschung darüber und zog sich vom Fenster zurück. Ihr Gemahl blieb noch eine Weile dort stehen und beobachtete seinen Feind. Seine Miene wirkte, als würde er sich gerade eine Strategie zu einem Feldzug zurechtlegen. Der Baronin war es egal.
Sie legte sich
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