Fesseln des Herzens
sie und warf einen kurzen Blick auf den Hof. Der Baron kam genau in diesem Augenblick aus der Pforte und strebte dem Burgtor zu.
Wohin mag er gehen?, fragte sich Nicole, doch sie war froh darüber, dass er die Burg verließ und sie somit nicht bei ihrem Gespräch mit Henry überraschen konnte.
Kaum war ihr Gemahl außer Sicht, wirbelte sie herum und fiel Henry um den Hals. Ihre Lippen fanden sich zu einem leidenschaftlichen Kuss.
Als die Baronin ihren Griff ein wenig lockerte, löste er seine Lippen von ihr und sagte: »Mylady, wenn uns jemand beobachtet …«
»Wer sollte das tun? Ich habe Celeste losgeschickt, um den Mägden Anweisungen für das abendliche Mahl zu geben, und Aimee ist auf der Suche nach den Kräutern, schätze ich.«
Henry blickte sie fragend an, doch bevor er etwas sagen konnte, legte Nicole ihm den Finger auf die Lippen.
»Wie steht es mit dir? Hast du dich nun schon entschieden, wem du lieber dienen willst?«
Henry presste die Lippen zusammen. Wenn er ehrlich war, waren die vergangenen drei Monate die Hölle für ihn gewesen.
Seit dem Kuss war seine Sehnsucht nach Nicole beständig gewachsen. Es machte ihn fast wahnsinnig zu sehen, wie willig sie war – und dass sein Gewissen ihn immer wieder davon abhielt zu nehmen, was sie ihm anbot.
Doch auch diesmal schaffte er es zu widerstehen.
»Ich sollte jetzt besser gehen«, sagte er, aber Nicole stellte sich ihm in den Weg.
»Sie wird mir einen Trank brauen, der mich unfruchtbar macht. Wenn du mich willst, kannst du mich nehmen.«
Henry schloss die Augen. Wildes Begehren erfasste seine Lenden. Obwohl er dagegen ankämpfte, konnte er es nicht verbergen.
In Nicoles Augen lag ein zufriedenes Funkeln, als sie es bemerkte. Ich werde dich schon dazu kriegen, meine Wünsche zu erfüllen, ging es ihr durch den Sinn, während sie sich ihm sanft entzog und ihn mitsamt seinem brennenden Verlangen zurückließ.
Noch am selben Nachmittag ging Aimee auf die Wiese hinter der Burg und sammelte die Kräuter für den Sud der Baronin. Nach dem Kampf mit Henry hatte sie nach dem Kind und der Amme gesehen. Die kleine Baroness war, wie sich herausgestellt hatte, mit einem Milchzahn geboren worden, der die Brüste der Amme malträtierte. Aimee hatte der Frau versprochen, ihr eine Kräuterpackung zuzubereiten, und war insgeheim froh, dass sie unverhofft an eine Ausrede fürs Pflanzensammeln gekommen war.
Da sie einige der Zutaten nicht auf der Wiese fand, beschloss sie, in ein nahe gelegenes Waldstück zu gehen. Es grenzte an den Burggraben, war verwildert und über eine kleine Brücke zu erreichen. Während die junge Frau über die Planken schritt, versuchte sie sich das Rezept ihrer Mutter in Erinnerung zu rufen. Bislang hatte sie den Trank für Unfruchtbarkeit nur einige wenige Male herstellen müssen, denn meist kamen die Frauen zu ihr, weil sie keine Kinder empfangen konnten. Aber nach einer Weile fielen ihr die Mischverhältnisse wieder ein. Alles, was sie jetzt noch brauchte, war etwas Minze und Salbei, dann hatte sie die Zutaten für beide Arzneien zusammen.
Sie schritt durch das Unterholz, bis sie eine kleine Lichtung erreichte. Plötzlich hörte sie ein Knacken hinter sich. Aimee wirbelte herum, konnte jedoch niemanden sehen. Zögernd setzte sie ihren Weg fort. Nach einer Weile entdeckte sie die Minze. Sie hockte sich hin, um die Blätter abzupflücken und in ihrem Stoffsäckchen zu verstauen.
Als sie sich wieder aufrichtete, schoss unvermutet eine Hand aus dem Gebüsch und packte sie. Aimee schrie auf und wollte sich dem Angreifer widersetzen, doch da legte sich ein Arm, der wie aus Stein gemeißelt schien, über ihre Brust und zog sie nach hinten. Gleichzeitig drückte sich etwas Kühles an ihre Kehle.
Ein Dolch!, schrie es durch Aimees Verstand, und sie versteifte sich augenblicklich.
War es einer von Woodwards Leuten, der ihr aufgelauert hatte? Oder erlaubte sich Henry aus Rache für seine Niederlage einen Scherz?
»Wer seid Ihr?«, fragte sie und spürte ihren Pulsschlag hart in den Schläfen pochen.
Der Angreifer antwortete nicht. Die freie Hand, mit der er sie gepackt hatte, berührte ihre Kehle und tastete nach ihrem Puls. Aimees Herz raste. Doch selbst in ihrer Angst spürte sie, wie die rauhen Hände, die sie umfassten, plötzlich weich wurden und der Angreifer seinen Griff lockerte.
Sie schloss die Augen, atmete zitternd ein und fragte dann erneut: »Wer seid Ihr, und was wollt Ihr?«
Einen Moment noch labte sich der
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