Fesseln des Herzens
unbekannte Angreifer an ihrer Angst, dann spürte sie, wie sein Gesicht sich ihrem Haar näherte und ein warmer Atem leise in ihr Ohr flüsterte: »Siehst du, Aimee, auch das kann dir dort draußen geschehen.«
Es war George of Ravencroft. Die Schäferin atmete erleichtert auf.
»In so einem Fall wirst du keine Zeit haben, nach deinem Hirtenstab zu greifen«, fuhr der Baron fort, ohne seinen Griff endgültig zu lösen.
»Ich habe meine Hunde«, antwortete sie und wagte nun, seine Arme mit ihren Händen zu umfassen. »Sie würden jedem, der sich mir auf diese Weise nähert, an die Kehle springen.«
»Schlimmstenfalls sind sie tot, wenn der Angreifer hinter dir steht. Und dann …«
Sie spürte, wie sich seine Lippen ihrem Hals näherten, spürte seinen Atemhauch auf ihrer Schulter und erschauerte.
»Ich habe so viel Grauen auf dem Kreuzzug gesehen. So viel Grausamkeit, besonders gegen Frauen. Ich bezweifle, dass dich der Angreifer gleich töten wird, Aimee«, flüsterte er. Sein Atem wurde heftiger, sein Brustkorb drängte sich fest an ihren Rücken. »Zunächst wird er dich nehmen, wieder und wieder.« Er zog die Klinge zurück und steckte sie ein.
Aimee hätte sich jetzt leicht von ihm befreien können, doch das wollte sie nicht.
Seine Hand kehrte an ihren Hals zurück und streichelte über die zarte Haut. »Wenn du Glück hast, wird er dich töten. Doch wenn nicht, wirst du in nicht mal einem Jahr seinem Bastard ins Gesicht blicken, der dich auf ewig daran erinnern wird, was er mit dir gemacht hat.«
Mit diesen Worten ließ er von ihr ab, trat vor sie und reichte ihr den Dolch.
Aimee wagte noch immer nicht, sich zu rühren.
»Verzeih, dass ich dir einen Schrecken eingejagt habe«, sagte Ravencroft, nahm ihre Hand und schloss die Finger um den Messergriff. »Mir wäre wohler zumute, wenn du das hier in Zukunft bei dir tragen würdest.«
»Aber, Mylord, das kann ich nicht annehmen.«
»Du kannst es. Oder willst du mich etwa beleidigen?«
Nein, das wollte Aimee nicht. Sie nahm die Waffe und barg sie an ihrem Körper.
»Vielen Dank, Mylord.«
Der Baron nickte. »Deine Sicherheit ist mir teuer, besonders in diesen Zeiten. Was treibt dich eigentlich aus der Burg hierher? Im Gebüsch können Räuber lauern.«
»Aber doch nicht in der Nähe der Burg, wo man Euch nachsagt, das Schwert wie kein anderer zu führen.«
»Das schmeichelt mir«, entgegnete er. »Trotzdem hast du meine Frage noch nicht beantwortet. Was machst du hier draußen?«
»Ich sammle Kräuter für die Amme. Eure Tochter beißt ihr beim Trinken in die Brust. Wie Ihr vielleicht wisst, ist sie mit einem Zahn zur Welt gekommen.«
»Das ist nur bei Kindern der Fall , die von Gott auserwählt wurden, nicht wahr?«
»So ist es«, entgegnete Aimee. »Bislang habe ich nur ein Kind auf die Welt geholt, das bereits einen Zahn hatte. Eure Tochter. Sie wird gewiss eine große Herrscherin. Aber bis dahin wird sie der Amme noch einiges an Ärger bereiten. Ich habe Kräuter gesammelt, um ihr eine Tinktur zu bereiten.«
Dass sie ihm Nicoles Wunsch verschweigen musste, war der Schäferin unangenehm. Der Baron sorgte sich um seine Gemahlin, und sie hinterging ihn mit den Pflanzen und einem Sud, der seinen Samen in seinem Eheweib tötete.
»Ich muss fort«, wisperte sie, obwohl ihr Herz etwas ganz anderes wollte. »Und Ihr müsst auch zurück, sonst fragt man sich, wo Ihr geblieben sein könntet.«
»Um mich macht man sich gewiss keine Sorgen, nicht einmal mein Weib tut das«, entgegnete er kühl. »Seit sie das Kind geboren hat, ist sie noch abweisender geworden.«
Aimee sagte nichts dazu. Wenn er wüsste, dass sie vorhat, mich in sein Bett zu drängen, dachte sie. Und erst der Trank …
»Sag, weißt du nicht, wie man die Liebe seiner Gemahlin entflammen kann?«, fragte Ravencroft plötzlich und griff nach ihrer linken Hand. »Wenn du dich schon mit Kräutern auskennst.«
Aimee schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mylord, Liebestränke sind nicht mein Handwerk. Ich heile die Menschen nur, ich beeinflusse sie nicht. Außerdem bin ich der Meinung, dass Liebe, hervorgerufen durch einen Zauber, keinen Bestand hat. Sie muss im Herzen wachsen und gedeihen wie ein Samenkorn.«
»Wieder einmal erstaunst du mich mit deiner Klugheit, Aimee«, entgegnete der Baron und schien auf eine Reaktion ihrerseits zu warten.
Doch die Schäferin konnte in diesem Augenblick nur mit ihren Gefühlen ringen. Er sollte nicht bemerken, wie sehr seine Gegenwart sie
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