Fesseln des Herzens
deinen Fähigkeiten sollte andere Dinge tun, als seine Haut für einen Kampf herzugeben«, flötete Nicole jetzt verlockend. »Ich werde dich erheben und alles, was du tust, zu würdigen wissen! Auch wenn uns kein Priester segnen will, werde ich dein einziges Weib sein.«
Henry schwirrte der Kopf. Einem Teil von ihm gefiel, was er da hörte, ebenso der Gedanke, mehr zu sein, als ein Soldat. Der andere Teil dagegen hatte immer noch Zweifel.
»Woher willst du wissen, dass Woodward dir helfen wird?«, fragte er und spürte, wie sein Widerwille gegen den Plan ein wenig schwand. »Er fürchtet deinen Gemahl, aber ob das Gleiche für dich gilt, wage ich zu bezweifeln.«
»Deshalb habe ja ich dich an meiner Seite. Dein starker Arm wird mich vor Woodward beschützen.«
Der Leibwächter konnte darauf erst einmal nichts erwidern. Die Vernunft riet ihm, die Finger von der Sache zu lassen, doch sein Herz begehrte auf einmal, diese Frau ganz zu besitzen. Das konnte er allerdings nur, wenn er keine Furcht vor ihrem Gatten haben musste.
»Also, was ist, Henry? Willst du mich nun unterstützen oder nicht?« Nicoles Züge wurden wieder etwas weicher. »Bedenke, wenn ich Ravencrofts Gemahlin bleibe, werden wir uns auf ewig vor ihm verstecken müssen! Stirbt er, so wirst du der Mann an meiner Seite, und wir werden endlich glücklich sein.«
»Was soll ich tun?«, hörte er sich schließlich sagen. Den Aufschrei seiner vernünftigen Seite ignorierte er einfach.
Nicole griff in die Falten des Gewandes, das sie abgelegt hatte, und zog eine Schriftrolle hervor.
»Ganz einfach, du überbringst diese Botschaft Woodward. Darin erkläre ich ihm meinen Wunsch und nenne ihm seinen Lohn. Übergib ihm diese Rolle und kehre dann mit seiner Antwort zurück. Das ist alles, was ich von dir verlange.«
Für einen kurzen Moment blitzte die Vernunft wieder in Fellows auf. »Das könnte schlimmstenfalls zum Krieg führen«, bemerkte er.
»Meinetwegen soll es das!«, erklärte Nicole wütend. »Ich bin nicht länger gewillt, neben diesem Mann zu leben! Ich bin noch jung, und er ist nicht alt genug, um zu sterben, bevor ich meine Jugend verliere.« Sie legte ihre Hände beschwörend an seine Brust. »Bitte hilf mir, Henry. Ich will mein Leben nicht vertun! Und ich will auch nicht, dass unsere Liebe uns in Gefahr bringt. Wenn Ravencroft herausfindet, was wir gerade getan haben, wird er uns beide töten!«
Das Herz des Leibwächters raste. Er war sich darüber im Klaren, dass er sein Schicksal entschied, wenn er nach dieser Schriftrolle griff.
Was willst du eher?, fragte er sich stumm, während er noch immer in Nicoles Augen blickte. Ewig ein Untertan sein und die Entdeckung fürchten müssen? Verjagt werden, wenn der Baron erfährt, was du getan hast? Vor Begierde vergehen?
Oder die Frau, die du liebst, ganz besitzen und dabei auch noch reich und geachtet sein?
Bevor es seinem Gewissen gelingen konnte, ihn zur Umkehr zu bewegen, streckte er die Hand aus und ergriff das Papier.
»Ich werde dir helfen.«
»Wirst du eine Möglichkeit finden, das Schreiben zu überbringen?«, fragte Nicole lächelnd und schmiegte sich an ihn.
»Ich werde den Baron bitten, mich zu meinem Vater reiten zu lassen. Die Angelegenheit braucht ein wenig Zeit und Planung, denn ich werde vorgeben, dass er krank ist. Doch letztlich bin ich sicher, dass der Baron keinen Verdacht schöpfen wird. Das verspreche ich dir.«
Damit trafen seine Lippen die ihren zu einem leidenschaftlichen Kuss.
In dieser Nacht wälzte sich Aimee unruhig auf ihrem Lager hin und her. Nach ihrer Rückkehr vom Ausritt war sie wie immer in die Küche gegangen, aber irgendwie hatte sie das Gefühl gehabt, dass die Blicke der Frauen an diesem Abend regelrecht an ihr kleben würden.
Dafür fiel ihr nur eine plausible Erklärung ein, nämlich dass vielleicht eine Magd belauscht oder beobachtet hatte, wie der Baron mit ihr gesprochen hatte. Oder hatte gar einer der Wächter, die eigentlich zum Stillschweigen verpflichtet waren, geredet?
Rascher als sonst hatte sie sich nach dem abendlichen Mahl zurückgezogen und war in die Kinderstube geflüchtet. Die Amme war froh gewesen, ein wenig früher von ihrer Pflicht entlassen zu werden, und Celeste war zu ihrer Herrin gerufen worden. Nach dem gestrigen Vorfall hatte die Baronin wohl nicht allein bleiben wollen.
Während Aimee die kleine Baroness in den Schlaf wiegte, lauschte sie auf den Gang, doch die Schritte des Barons waren nicht zu vernehmen. Im
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