Fesseln des Herzens
einhellig.
»Was hat sie?«, fragte Celeste, die begonnen hatte, angstvoll an ihren Fingernägeln zu kauen.
»Ich kann keinen Ausschlag an ihrem Körper entdecken, also nehme ich an, dass sie sich nur ein wenig erkältet hat«, antwortete Aimee. »Dennoch müssen wir vorsichtig sein. Ich werde etwas Kuhmilch holen und sie mit Honig und Thymian versetzen.«
»Was ist mit dem Fieber?«
»Sie darf sich auf keinen Fall verkühlen, daher werden wir sie mit ein paar leichten Tüchern bedecken. Wenn es schlimmer wird, werden wir ihr kühle Wickel anlegen müssen.«
Obwohl die Schäferin versuchte, es zu verbergen, klang ihre Stimme sorgenvoll.
»Celeste, gib bitte dem Baron und seiner Gemahlin Bescheid. Die Herrschaften müssen wissen, dass ihre Tochter erkrankt ist.«
Die Kammerfrau wurde blass. »Was, wenn sie mir nun die Schuld daran geben? Immerhin sollte ich in der Nacht über die Kleine wachen.«
Aimee wandte sich ihr zu und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Niemand wird dir die Schuld geben. Der Wind, der an der Burg vorbeigefegt ist, ist selbst durch Ritzen unter Türen und Fenstern gedrungen. Ein so kleiner Mensch kann da leicht erkranken. Die Schuld kann daher niemandem gegeben werden, hörst du? Also, geh nun und sag dem Baron und der Baronin Bescheid. Ich werde tun, was in meiner Macht steht, um Mary vom Fieber zu befreien.«
Die Kammerfrau nickte, und nachdem sie einen sorgenvollen Blick in die Wiege geworfen hatte, lief sie los.
Nachdem Aimee die Amme instruiert hatte, verschwand sie in die Küche.
Klirrend trafen die Schwerter aufeinander, dass es nur so durch den kahlen Übungssaal hallte. Bis auf ein paar Banner, die von den Wänden herabhingen, und die blankpolierten Rüstungen, die sich wie Wächter neben einem Waffenständer erhoben, gab es hier nichts, was den Schall hätte dämpfen können.
Wie immer um diese Zeit hatten sich Ravencroft und Fellows zu ihrer Fechtübung getroffen. Die anderen Soldaten versammelten sich allmählich auf dem Hof, denn bei ihrem allmorgendlichen Zusammentreffen wünschte der Baron keine Zuschauer.
George of Ravencroft war erfüllt vom Zorn über sich selbst. Er hatte mitbekommen, dass Aimee zurückgekehrt war, laut seinen Bediensteten war sie nur ins Dorf geritten, um ein paar Kräuter zu holen.
Wie habe ich bloß an ihr zweifeln können?, fragte er sich und kannte gleichzeitig die Antwort: Genauso, wie sie an dir zweifelt. Es gehörte zum Menschsein, zu zweifeln und zu hinterfragen. Konnte er Aimee noch länger verübeln, dass sie ihm nicht auf Anhieb geglaubt hatte?
Mit zusammengebissenen Zähnen hieb der Baron auf Henry ein, als gälte es, gegen einen inneren Teufel zu kämpfen. Die Schläge fielen zuweilen so hart aus, dass Fellows Mühe hatte, die Schläge zu parieren.
Was ist nur mit ihm los?, ging es dem Hauptmann durch den Sinn. Wieso hat er so viel Zorn in sich? Oder ist es das schlechte Gewissen, weil er seinem Weib Gewalt antun wollte?
Das, was er in der vergangenen Nacht erlebt und gehört hatte, hatte Fellows noch lange wach gehalten.
Am Morgen hatte er sein Spiegelbild im Wasserbottich eingehend betrachtet und stumm Zwiesprache mit sich selbst gehalten. Ist es das Richtige, was ich da tue? Soll ich allen Ernstes für ein Weib meinen Herrn aufgeben?
Auf einmal hatte es den Anschein gemacht, als würde sein Spiegelbild ein höhnisches Lächeln aufsetzen.
Was ist mit dir?, schien es zurückzufragen. Willst du etwa einen Rückzieher machen? Du liebst Nicole, oder etwa nicht? Dann solltest du auch dein Versprechen halten. Wenn du es vernünftig anstellst, wirst du dereinst ein Edler sein. Und die Baronin die Frau an deiner Seite.
»Was ist, Fellows?«, fuhr ihn der Baron an, nachdem er ihm einen weiteren Streich verpasst hatte. Das dicke Leder ihrer Wämser hielt einiges ab, zudem benutzten sie zum Üben nur stumpfe Schwerter, und dennoch: Hätten sie einen ernsten Kampf ausgefochten, so hätte Ravencroft Fellows ein Stück vom Unterarm abgetrennt. »Du kämpfst heute Morgen wie ein Weib! Ich bin sicher, sogar Aimee könnte das besser.«
Der Hauptmann blickte seinen Herrn an und versuchte, seinen Zorn im Zaum zu halten. »Es ist nichts, Mylord, ich …«
Plötzlich kam ihm wieder in den Sinn, was er mit Nicole besprochen hatte. Jetzt wäre der beste Zeitpunkt, um den Baron zu bitten, für ein paar Tage die Burg verlassen zu dürfen.
»Was denn, Henry?« Ravencroft nahm seine Waffe herunter. Es bereitete ihm kein Vergnügen,
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