Fesseln des Schicksals (German Edition)
Die Konstrukteure des Forts haben gute Arbeit geleistet und alles weggeschafft, was als Schutzwall dienen könnte.»
«Ich weiß.»
«Du weißt? Großartig. Und wie willst du also diese zweihundert Meter überwinden, ohne entdeckt zu werden?»
«Unter der Erde.»
«Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt. Wir würden Jahre brauchen, um einen solchen Tunnel zu graben.»
«Wer hat gesagt, dass wir graben müssen?»
«Aber …»
«Wir werden über das Abwassersystem in das Fort kommen. Es war zwar nicht ganz einfach, aber ich habe die Lösung im Tagebuch eines englischen Offiziers gefunden, der während des Unabhängigkeitskriegs gedient hat. Dieser Soldat war Ingenieur, und man hat ihn mit dem Bau eines Geheimgangs beauftragt, der die Befestigungsanlage mit dem Fluss verbindet. Als die Engländer sich ergaben, haben sie die Existenz des Tunnels nicht preisgegeben, deshalb ist er in Vergessenheit geraten. Und erst Jahre später wurde über den Ruinen jenes Forts das jetzige Gefängnis errichtet.»
«Und wie zum Teufel hast du dieses Tagebuch gefunden? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Bücherwurm bist.»
«Es gehörte meinem Großvater. Er hat es mir bei seinem Tod vermacht.»
«Woher wissen wir, ob es den Gang noch gibt?»
«Ich hoffe, dass es ihn gibt und er noch begehbar ist, aber ganz sicher können wir erst sein, wenn wir ihn gefunden haben. Wir müssen das Flussufer absuchen, der Eingang zum Tunnel müsste dort in der Nähe liegen, wahrscheinlich am Waldrand. Man kann ihn vom Fort aus nicht sehen. Mit ein bisschen Glück kommen wir von dort aus in das Abwassersystem.»
«Der alte Fluchtweg der Engländer dient uns also für einen Angriff. Welch Ironie», bemerkte Klaus.
«Nicht wahr? Wenn wir einmal drin sind, brauchen wir nur der Karte zu folgen.»
«Was für eine Karte?»
Scott holte eine Papierrolle hervor und breitete sie über der Skizze auf dem Boden aus.
«Wo hast du das her?»
«Sagen wir, ich habe es geliehen. Du machst dir keine Vorstellung davon, was man alles in der Kongressbibliothek findet.»
Die Karte zeigte das verzweigte Abwassersystem, das unter dem Fort verlief.
«Wenn ich die Stellen im Tagebuch richtig deute, dann müsste der Tunnel etwa hier mit dem Hauptnetz verbunden sein», sagte Scott und zeigte auf einen Punkt auf der Karte. «Wenn wir dort angekommen sind, gehen wir unterirdisch bis zu dem Zellenkomplex, wo Richard untergebracht ist. Und hier», er deutete auf ein Kreuz, das er in den Plan eingezeichnet hatte, «müsste es einen Abflussschacht geben.»
Beeindruckt sah Klaus ihn an.
«Woher weißt du, wo Richard sich befindet?»
Die genauen Angaben hatte er von Noah bekommen, dem es gelungen war, Richard bis zu seinem neuen Aufenthaltsort zu begleiten.
«Sagen wir, ich habe so meine Quellen.»
«Schon verstanden.»
«Wir klettern den Schacht hoch und kommen so in das Gefängnis. Zurück müssen wir den gleichen Weg benutzen. Wenn die Soldaten bemerken, dass Richard verschwunden ist, sind wir schon weit weg.»
«Gut. Das sieht alles ganz einfach aus. Aber was machen wir, wenn wir die Wachhabenden auf ihrem Rundgang treffen?»
«Gar nichts. Wir werden nämlich niemanden treffen. Richard ist in einer der am tiefsten gelegenen Zelle des Gefängnisses untergebracht, das Quartier der Wachen ist weit entfernt», erklärte Scott und zeigte ihm den Platz auf der Karte. «Hier siehst du, dass es ein Stockwerk darüber liegt. So früh am Morgen und bei der Kälte wird keiner von ihnen auf die Idee kommen, einen Rundgang zu machen.»
Klaus war überrascht. Scott hatte alles bis ins letzte Detail geplant, die Rettungsaktion schien fast etwas zu einfach.
«Ich bin froh, dich nicht zum Feind zu haben», gestand er. «Wenn du dich mit nur zwei Mann in das sicherste Fort des Landes wagst, will ich lieber nicht wissen, was du mit einem Regiment anstellen würdest.»
«Zum Glück werden wir beide das nie erfahren.»
Dann gingen sie den Plan noch einmal sorgfältig durch.
Sie benötigten eine weitere Nacht, um den Eingang des Tunnels zu finden. In der Nacht darauf kehrten sie dorthin zurück. Es war Neumond, und ein dünnes Wolkenband verdeckte die Sterne. Perfekt. In dieser Dunkelheit konnte man nur zwei Meter weit sehen.
Der Eingang des Tunnels war von Unkraut überwuchert. Scott bahnte sich einen Weg durch das Gestrüpp, das in den letzten achtzig Jahren ein Geheimnis bewahrt hatte. Klaus, der zunächst ein wenig zurückgeblieben war, um die Pferde hinter den Bäumen zu
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