Fesseln des Schicksals (German Edition)
schnell einen Blick zu, und Latoya richtete sich blitzschnell wieder auf. Und wenn diese Frau noch so hübsch und weiß war, sie war genauso eine Sklavin wie sie. Olivia würde nicht erlauben, dass eine Sklavin in ihrer Küche vor einer anderen knickste.
«Nenn mich Molly.»
Latoya antwortete nicht. Mit gesenktem Kopf blickte sie zu Boden. Molly hatte die Gelegenheit verpasst, eine Freundin zu gewinnen.
«Ich denke, ich werde mich erst einmal im Haus einrichten», sagte sie und versuchte, die angespannte Atmosphäre etwas aufzulockern.
«Ja. Der Aufseher hat befohlen, dass Sie im Dachgeschoss untergebracht werden», antwortete Thomas. Unwillkürlich hatte er sie gesiezt. Es war nicht so einfach, im Kopf zu behalten, dass diese hellhäutige, elegant gekleidete Frau nur eine weitere Sklavin der Plantage war.
«Könnte ich ein wenig Wasser bekommen?»
Gerade wollte Latoya zur Pumpe springen, als Olivia sie am Arm packte. «Da sind Gläser, da ist die Pumpe. Trink, so viel du willst.»
Molly spürte, wie sie errötete. Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen, um ihre Schüchternheit zu überwinden und freundlich zu sein. Aber offensichtlich machte sie die Dinge nur jedes Mal schlimmer.
Diesmal warf Thomas der Köchin einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann nahm er den Krug vom Regal, goss etwas Wasser in ein Glas und hielt es Molly hin.
Sie bedankte sich und leerte das Glas bis auf den letzten Tropfen. Wütend kehrte Olivia Thomas den Rücken zu, aber der Sklave kümmerte sich nicht um die Abfuhr der sturköpfigen Köchin.
«Ist der schwer?», fragte Thomas mit Blick auf den Koffer, der noch genau dort stand, wo Molly ihn hatte fallen lassen.
«Und ob er schwer ist. Nicht einmal eine Leiche wiegt so viel», scherzte sie. Während der Sklave prüfend an einem der Ledergriffe zog, nickte er. «Ich werde wohl besser ein paar Männer suchen, damit sie das Gepäck der Herrin hinaufschaffen.»
«Nein, bitte mach dir keine Mühe», warf Molly ein. «Die Sachen der Herrin sind schon oben. Das hier ist meins.»
Auf einen Schlag ließ Thomas den Griff los. Die drei starrten auf den Koffer. Kein gewöhnlicher Sklave konnte ein so großes Behältnis mit seinem Besitz füllen.
Wieder merkte Molly, dass sie etwas falsch gemacht hatte. Wahrscheinlich würden die Habseligkeiten dieser drei zusammen nicht mehr als ein Bündel ausmachen.
Der alte Sklave steuerte auf die Dienstbotentreppe zu. «Ich zeige dir, wo du schläfst, solange du hier bist», sagte er scharf und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Molly war zum Weinen zumute, als sie schließlich selbst nach dem Koffer griff und sich daranmachte, ihn die Treppe hinaufzuschleifen.
Während sie darum kämpfte, die erste Stufe zu überwinden, ohne dass sich jemand erbarmte und ihr zu Hilfe kam, hörte sie noch, wie Olivia wetterte: «Sie kriegt sogar ein eigenes Zimmer.»
Sie wollte protestieren. Schließlich hatte sie nicht darum gebeten, getrennt von den anderen Sklaven untergebracht zu werden. Aber ein Leben in Gehorsam und das Schuldgefühl, das sie aufgrund ihrer zu hellen Haut verspürte, hatten sie nicht auf den Kampf vorbereitet. Schweigend hob sie den Koffer eine weitere Stufe hinauf.
Thomas machte nicht die geringsten Anstalten, ihr zu helfen. Es war offensichtlich, dass der Sklave sich darüber ärgerte, dass Molly so viele Dinge besaß. Seine anfängliche Freundlichkeit war vollkommen verschwunden.
Fast fünf Minuten später erreichte Molly das Dachstübchen.
«Es ist seit Jahren nicht mehr benutzt worden», sagte Thomas, als er die Tür öffnete. Molly ließ den Koffer fallen. Ihre Hände brannten. Als sie sich aufrichtete, fühlte sie ein heftiges Stechen im Rücken. Keuchend rang sie nach Luft.
«Wenn du nicht mit der Herrschaft zusammen bist, musst du immer die Dienstbotentreppe benutzen», erklärte Thomas völlig ungerührt.
«Du hast alles, was du brauchst. Wenn du etwas nicht weißt, frag mich. Hier bist du gut untergebracht. Niemand kommt jemals hier herauf.» Er sagte das, als wäre sie eine Aussätzige, die man vom Rest der Welt fernhalten müsste.
«Die Herrschaften essen in einer Stunde zu Abend.» Nach diesen Worten verschwand er.
Sie hatte nicht einmal eine Stunde, um sich einzurichten. Erst einmal versuchte Molly, zu Atem zu kommen, aber nachdem die Sonne den ganzen Tag lang unerbittlich auf die Dachziegel gebrannt hatte, war die Luft hier oben unerträglich heiß. Kein Wunder, dass sich niemand hier heraufwagte. Schnell ging sie zum
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