Fesseln des Schicksals (German Edition)
das schlichte Blassblaue. Master Lacroix hat es dir zum letzten Geburtstag geschenkt, es hat Ärmel aus Spitze.»
Katherine runzelte die Stirn. Sie konnte sich an kein blassblaues Kleid erinnern. Aber bevor sie noch etwas dazu sagen konnte, hatte Molly es schon geholt. Ganz anders als die meisten von Katherines Kleidern, die in kräftigen, fröhlichen Farben gehalten waren, war dieses sehr hell, fast schon langweilig.
«Das ist perfekt!», rief Katherine und ließ mit ihrem ungestümen Klatschen einen Teil des Badewassers auf den Teppich schwappen.
Als Katherine fertig gebadet hatte, holte Molly ein Handtuch. «Und übrigens», sagte Katherine, während sie sich in die weiche Baumwolle einwickeln ließ, «heute wirst du mich begleiten.»
«Aber … aber ich glaube, das sollte ich nicht», protestierte Molly erschrocken.
«Was soll das heißen, du solltest nicht? Natürlich sollst du. Du kommst mit mir. In New Orleans hast du mich immer begleitet.»
Aber in New Orleans wussten alle, dass ich die Sklavin der Tochter des wichtigsten Mannes der Stadt war, wollte Molly schreien. Stattdessen sagte sie: «Ich glaube nicht, dass Master David es gutheißen wird …»
«Warum sollte er es nicht gutheißen? Du sollst ja schließlich nicht mit uns zu Abend essen!»
Molly verspürte Angst. Bis jetzt hatte sie es geschafft, New Fortune nicht zu verlassen. Noch hatte niemand sie gesehen. Sie wollte lieber kein Aufsehen erregen.
«Das rote Kleid wird dir bestens stehen», fügte Katherine hinzu. Es gab nichts mehr zu sagen. Molly kannte Katherine zu gut und wusste, dass sie nicht mehr über dieses Thema sprechen wollte. Als ob ihr Aussehen an sich nicht schon genügen würde, um die Blicke aller Gäste auf sich zu ziehen, würde das rote Kleid sein Übriges tun und sie in ein Jahrmarktäffchen verwandeln. In einer so auffälligen Aufmachung würde wirklich niemand sie übersehen können.
***
Obwohl ihre Besitzer mit Büschen und Pflanzen zu kaschieren versuchten, dass die Farbe der Fassade an mehreren Stellen abplatzte, konnte man doch nicht übersehen, dass die Residenz der Burtons einen neuen Anstrich dringend nötig hatte. Von den Gebäuden, die Katherine bisher gesehen hatte, war es bei weitem das schlichteste. Es hatte einen quadratischen Grundriss, und durch seine plumpe Bauweise wirkte es eher wie ein Bauernhaus und nicht wie das Herrenhaus einer Plantage. Und wenn sie es noch so bemüht dekorierten, niemals könnte es mit der Schönheit von New Fortune konkurrieren.
Das Ehepaar Burton begrüßte seine letzten beiden Gäste. Gwendolyn Burton lächelte breit. «Katherine, wie ich mich freue, dich zu sehen», sagte sie und gab ihr auf französische Art einen Kuss auf jede Wange. Mr. Burton, ein untersetzter Mann mit pockennarbigem Gesicht, schielte derweil unschlüssig nach einem Tablett mit Canapés, das von einem Sklaven herumgereicht wurde. «Mein Lieber!» Ein strenger Blick seiner Frau brachte Mr. Burton dazu, die Häppchen nicht weiter zu beachten. «Komm und begrüße unsere Gäste.»
Mr. Burton trat näher. «David, Mrs. Parrish.»
«Es ist mir ein Vergnügen, dich wiederzusehen, Burton. Danke für die Einladung.» David begrüßte den Gastgeber mit einem Händeschütteln.
«Bitte kommt doch herein.» Jede Geste, jede Modulation ihrer künstlich klingenden Stimme verriet, dass Gwendolyn Burton den Eindruck erwecken wollte, eine feine Dame zu sein.
Nun trat auch Molly ein, die kurz zur Kutsche zurückgegangen war, um Katherines Schal zu holen. Diskret blieb sie hinter ihrer Herrschaft. Zu Gwendolyn gewandt, erklärte David: «Das ist Katherines persönliche Sklavin.»
Sobald die Gastgeberin Molly erblickte, wurde ihr Gesicht zuerst blass und nahm dann eine leuchtend scharlachrote Farbe an. All ihre Selbstbeherrschung war nötig, um nicht laut aufzuschreien. Hinter ihren Ehrengästen stand nämlich eine junge und hübsche Sklavin, die unverschämterweise ein ähnliches rotes Kleid trug, wie sie selbst es für diese Gelegenheit gewählt hatte. Sie versuchte sich zu beruhigen, aber sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, mit dieser Sklavin verglichen zu werden. Am liebsten würde sie sie hinauswerfen, aber natürlich konnte sie Katherine Parrish nicht beleidigen. Mit Mühe nahm sie sich zusammen und lächelte verkrampft, während sie angestrengt überlegte, wo sie die Sklavin verstecken könnte.
Schließlich wurde Molly ein Platz in einem dunklen Winkel des Esszimmers zugewiesen, in angemessener
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